Bericht des Bundesdatenschützers: Schlechtes Zeugnis für Digitales
Chatkontrolle oder Social-Media-Auftritte: Deutschlands oberster Datenschützer hat jede Menge Rüffel und gute Ratschläge für die Bundesregierung.
Die Einschätzung hat derzeit aktuelle Brisanz. Bereits Mitte Februar hatte Kelber das Bundespresseamt angewiesen, den Betrieb einer ebensolchen Facebook-Fanpage der Bundesregierung einzustellen. Bis Ende der Woche kann die Bundesregierung Klage gegen die Anordnung einlegen. Sonst muss sie die Fanpage abschalten.
Kelber hat zwar nichts gegen Auftritte in sozialen Medien, sie müssen nur datenschutzfreundlich sein. Daher fordert er auch die Bundesregierung auf, selbst aktiv zu werden. Konkret schlägt er in seinem Bericht vor, dass das Informationstechnikzentrum Bund (ITZBund), eine Bundesinstanz der freien Twitter-Alternative Mastodon betreiben soll. Er selbst ist bereits vor über zwei Jahren mit gutem Beispiel vorangegangen.
„Was ursprünglich als Beweis für die Möglichkeit einer datenschutzfreundlichen Umsetzung sozialer Medien gedacht war, wuchs von einem Nischenangebot immer mehr zu einer ernsthaften Alternative heran“, heißt es im Bericht der Datenschutzbehörde. Mehr als 42.000 Nutzer:innen zählt der Account derzeit. Zudem sind etliche andere Behörden und Institutionen dort zu finden.
2022 mehr als 10.600 Datenschutzverstöße
Wenn sein Vorschlag, doch so gut in der Umsetzung funktioniert, warum kann die Bundesdatenschutzbehörde nicht die Mastodon-Instanz betreiben? Kelber sieht dies nicht als seine Aufgabe an und kann auch nicht mit eigenem Personal für die Moderation der Kommentare sorgen.
Nun heißt es also warten, bis das ITZBund sich meldet und übernimmt. Das ITZBund gehört zum Geschäftsbereich des Bundesfinanzministeriums und unterstützt als zentraler IT-Dienstleister die deutsche Bundesverwaltung. Kelbers Behörde ist für die Überwachung des Datenschutzes bei öffentlichen Stellen des Bundes zuständig sowie für Unternehmen, die Telekommunikations- und Postdienstleistungen erbringen. Laut Bericht wurden 2022 mehr als 10.600 Datenschutzverstöße gemeldet, etwa 5 Prozent mehr als 2021.
Sorgen bereitet Kelber auch die sogenannte Chatkontrolle. Die EU will sexualisierte Gewalt gegen Kinder effektiver bekämpfen. Dazu zieht sie die Überwachung und Kontrolle von Internet- und Messengerdiensten wie Signal oder Whatsapp in Betracht. „Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist das Vorhaben höchst problematisch“, heißt es im Bericht.
Der Gesetzgebende der EU schieße mit seinem Vorschlag deutlich über das Ziel hinaus. „Denn die sogenannte ‚Chatkontrolle‘ bietet kaum Schutz für Kinder, wäre aber Europas Einstieg in eine anlasslose und flächendeckende Überwachung der privaten Kommunikation“, heißt es weiter.
In der Ampel gibt es derzeit noch keine gemeinsame Haltung. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will die Chatkontrolle, zumindest was unverschlüsselte Kommunikation angeht. Die FDP hält – wenig überraschend – dagegen. Es sei klar, dass Verbrechen bekämpft werden müssten, aber ohne anlasslose Überwachung, formulierte es Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren