Berechnungen zu Pandemieentwicklung: Es wird wieder exponentiell

Noch sind die Neuinfektionen nicht mit denen des Frühjahrs vergleichbar – aber das Problem ist ähnlich: eine regelmäßige Verdopplung der Fallzahlen.

Ein Coronatest wird in eine Labortüte gepackt.

Coronatest in einem Wohnpark in Bad Essen bei Osnabrück am 11. Oktober Foto: Havergo/picture alliance

BERLIN taz | Am 18. März warnte das Robert Koch-Institut, dass sich in Deutschland in einigen Monaten zehn Millionen Menschen mit dem Sars-Cov2-Virus infizieren könnten. Es kam bekanntlich anders, weil wegen eben dieser Warnungen strenge Maßnahmen ergriffen wurden. Doch das Problem eines exponentiellen Wachstums ist geblieben: „Wenn wir die Epidemie einfach laufenließen, dann hätten wir das gleiche Problem“, sagt Martin Eichner, der an der Universität Tübingen Epidemien modelliert.

Im Frühjahr sei niemand immun gewesen, jetzt vielleicht zwei oder drei Prozent. Kurzum: „Wir sind kaum einen Schritt weiter“, resümiert er. Rechnerisch sieht das so aus: Vom 5. bis zum 15. Oktober hat sich die Zahl der Infizierten pro 100.000 Einwohner*innen in Deutschland im 7-Tages-Schnitt laut den Lageberichten des Robert Koch-Instituts auf 4.440 Fälle verdoppelt. Das macht also 10 Tage.

Hält der Trend an, hat Deutschland spätestens am 25. Oktober Flächendeckend den als kritisch definierten Wert von 50 Infizierten pro 100.000 Einwohner*innen überschritten. Und weil es eben ein exponentielles Wachstum gibt, wären es weitere zehn Tage später, also am 4. November, nicht dreimal so viele Fälle wie heute, sondern viermal so viele.

Weitere zehn Tage später, am 14. November wären es dann achtmal so viele: 35.520 Neuinfektionen im Schnitt von 7 Tage. Nicht auszudenken, was passiert, wenn die Zahl Verstorbener ebenso anstiege: Sie läge dann bei 344 täglich. Die Zahl der freien Intensivbetten in Deutschland würde sich halbieren. Am 24. November wären alle voll.

Maßnahmen sollten in zwei Wochen wirken

Nun sind das aber alles rein mathematische Betrachtungen – darauf macht auch Eichner aufmerksam. Mehr als drei Wochen lassen sich auf Basis aktueller Zahlen kaum seriöse Vorhersagen treffen. Denn sämtliche Zahlen hängen von menschlichem Verhalten und politischen Entscheidungen ab: Greifen die jetzt verhängten Maßnahmen, dann müsste das in rund zwei Wochen zu merken sein.

Die andere ungeklärte Frage ist, wie die Menschen auf steigende Zahlen reagieren. „Wir haben keine Lust mehr auf Einschränkungen, habe ich den Eindruck“, beobachtet Eichner. Aber das könnte sich schnell ändern, wenn es mehr Infektionen gibt. Wie viele Menschen sterben, hängt auch davon ab, wie gut Risikogruppen geschützt werden. Zwar ist seit Anfang September der Anteil der Älteren an den Infizierten wieder höher, warnt das RKI.

„Unsere Erfahrungskurve ist seit Beginn der Pandemie aber steil angestiegen“, sagt etwa Jens Ofiera, Sprecher des Verbandes Deutscher Alten- und Behindertenhilfe. Er will das nicht als Aufforderung missverstanden wissen, steigende Infektionszahlen einfach hinzunehmen. Aber mittlerweile hätten die Einrichtungen flächendeckend Hygiene- und Besuchskonzepte in Absprache mit den Gesundheitsämtern.

Helfen könnte dabei die neue Coronatestverordnung des Bundesgesundheitsministeriums. Bewohner, Beschäftigte und Besucher etwa von Pflegeheimen können sich einmal pro Woche kostenlos testen lassen. Dabei kommen Antigen-Schnelltests zum Einsatz. Sie sind zwar weniger zuverlässig, aber die Ergebnisse liegen binnen 15 bis 30 Minuten vor. Allein könne man die aber nicht anwenden, warnte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU): Man müsse da tief in die Nase kommen.

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