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Belarus droht PolenRhetorik der Angst

Kommentar von Barbara Oertel

Söldner der Gruppe Wagner könnten einen „Ausflug“ nach Polen machen, droht der belarussische Diktator Lukaschenko. Das soll spalten und Ängste schüren.

Wagner-Söldner und belarussiche Soldaten beim Training im Juli 2023 in Belarus Foto: Belarus' Defense Ministry/ap

L öblich, dass Russlands Präsident Wladimir Putin die Sensibilisierung seiner Mitmenschen für historische Fragen am Herzen liegt. Vor einem halben Jahr wurde die Welt um die Erkenntnis reicher, die Ukraine sei von Wladimir Lenin erschaffen worden – ergo ein Kunstprodukt ohne Existenzberechtigung. Jetzt erfahren wir, Polen müsse Stalin dankbar sein für die dem Land im Zuge der Westverschiebung zugeschlagenen Gebiete, die auf der Potsdamer Konferenz 1945 vertraglich bestätigt wurde.

Zu derart geschichtsklitterndem Unsinn passt auch die jüngste „Grußadresse“ des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko in Richtung Warschau: Angehörige der Söldner-Truppe Wagner hätten nichts dagegen, von Belarus aus einen „Ausflug“ nach Polen zu unternehmen.

Das Ziel solcher Einlassungen ist offensichtlich: Verunsicherung und Destabilisierung, wenngleich aus unterschiedlichen Motiven. Putin will Zwietracht in das Dreieck Polen, Ukraine und Deutschland tragen. Obgleich Warschau einer der vehementesten Fürsprecher der Ukraine ist, sind die bilateralen Beziehungen nicht spannungsfrei. Der Streit um Exporte landwirtschaftlicher Güter aus der Ukraine, der sich durch Russlands Ausstieg aus dem Getreideabkommen weiter verschärfen könnte, ist nur ein Beispiel. Anspielungen auf den Zweiten Weltkrieg kommen ebenfalls nicht von ungefähr: Im Herbst sind in Polen Parlamentswahlen. Und mal wieder spielt die Regierungspartei PiS die anti-deutsche Karte, wozu auch die Debatte um Reparationszahlungen gehört.

Putins Vasall Lukaschenko geht es neben dem Aufbau einer Drohkulisse gegenüber Polen und anderen westlichen Staaten vor allem darum, von Moskau finanzielle Mittel für den Unterhalt der Wagner-Truppe zu erhalten, da ihm eigene Ressourcen dafür fehlen.

Dass eine derartige Rhetorik Ängste weckt, ist verständlich. Man darf diesen aber nicht nachgeben. Denn Angst schüren ist ein Teil von Putins Spiel, getreu dem Motto: Spalten, wo immer es geht. Damit darf er nicht durchkommen.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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5 Kommentare

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  • Die Vorstellung, das Putin einen militärischen Angriff auf NATO Territorium über 2 hintereinander geschaltete Instrumente beginnt, die er beide nicht völlig kontrollieren kann -Lukaschenko und Prigoschin- ist absurd.

  • Diese Aussagen lassen vor allem tief blicken in die clowneske Fehleinschätzung des "Westens". Ja, Ukraine und Polen haben eine schwierige Geschichte. Aber beide Präsidenten haben Einiges dafür getan, das zu Kitten. Zumal die Polen nichts mehr hassen als die Russen. Da ist Polen wie ein wildgewordener Kampfhund. Gleichzeitig ist das Verhältnis Deutschland-Polen auf einigen Ebenen nicht das Beste. Aber auch vor allem wegen der Zögerlichkeit ggü. Russland. Deutsche Soldaten sind bereits jetzt in Polen und natürlich werden die sofort unterstützen.

  • Die belarussische Armee ist ein Witz der einzige Grund warum Putin und sein Terrier Lukashenka eine Provokation suchen würden ist das die von der NATO geschlagen werden damit man sich gesichtswahrend aus der Ukraine zurückziehen kann.

  • "Dass eine derartige Rhetorik Ängste weckt, ist verständlich. Man darf diesen aber nicht nachgeben."

    Was denn für Ängste?



    Wagner sitzt aktuell mit plusminus 25-30.000 Söldnern in Belarus. Erfahrene Kämpfer, ja - aber mit mäßigem Equipment.



    Demgegenüber Polen - 165.000 Mann im Dienst, plus eineinhalb Millionen Reservisten...



    Ganz nebenbei käme die NATO dann ja auch noch ins Spiel, aktuell so um die 3,5 Mio Mann unter Waffen.



    Wo man da Ängste kriegen soll erschließt sich mir rational nicht.



    Putin und Lukashenko betreiben die übliche Rhetorik für die innerrussische TV Propaganda, das ist alles.

    • @Farang:

      Danke, ich hatte mich beim Lesen auch gewundert. Das ist alles innenpolitische Propaganda. Vor Belarus und den dort stationierten Soldaten muss tatsächlich niemand aus der Nato Angst haben.