Belästigungsvorwürfe in Großbritannien: Labour-Abgeordneter suspendiert
Kelvin Hopkins, Fan von Parteichef Corbyn, wird ausgeschlossen. Eine Labour-Aktivistin trat mit Vorwürfen gegen ihn an die Öffentlichkeit.
Die mittlerweile 27-jährige Ava Etemadzadeh berichtete der Tageszeitung Daily Telegraph von mehreren Treffen mit Hopkins. 2013, als sie die Labour-Studentenvereinigung an der Univesität Essex leitete, lud sie ihn zu einer Veranstaltung ein; als er ging, habe er sie „zu fest“ in den Arm genommn „und sein Glied an mir gerieben“.
Im Februar 2015, so Etemadzadeh weiter, habe Hopkins sie ins Londoner Parlamentsgebäude eingeladen, sie nach ihrem Privatleben ausgefragt und sie hinterher mit Liebesbotschaften per SMS bombardiert. Ende des Jahres habe sie auf Anraten eines anderen Labour-Abgeordneten die Parteiführung über die Vorfälle informiert. Man habe ihr gesagt, dass man nichts tun könne, solange sie anonym bleiben wolle, berichtet die Frau.
Corbyn holte ihn ins Schattenkabinett
Hopkins war einer der 36 Labour-Abgeordneten gewesen, die nach Labours Wahlniederlage im Mai 2015 den Linksaußen Jeremy Corbyn für die Parteiführung nominierten – und im Herbst 2015 erfolgreich waren. Hopkins unterstützte den britischen EU-Austritt beim Brexit-Referendum im Juni 2016 und wurde danach sogar von Corbyn als Schattenminister für Kultur ins Schattenkabinett geholt – obwohl die Vorwürfe gegen ihn bereits vorlagen.
In Reaktion auf die Publizierung der Vorwürfe hat die Labour-Partei jetzt Hopkins suspendiert, „während eine Untersuchung läuft“. Er ist der zweite Labour-Abgeordnete innerhalb weniger Tage, der von der Fraktion wegen Fehverhaltens ausgeschlossen wird. Vergangene Woche war Jared O'Mara, Abgeordneter für den Wahlkreis Sheffield Hallam, suspendiert worden.
Auf Seiten der regierenden Konservativen war am Mittwoch Verteidigungsminister Michael Fallon zurückgetreten, nachdem er zugegeben habe, vor 15 Jahren eine Radiomoderatorin belästigt zu haben.
Noch mehr Abgeordnete im Visier der Medien
Presseberichten zufolge könnten bis zu 12 Abgeordnete insgesamt von den sich ausbreitenden Vorwürfen sexueller Belästigungen und Straftaten in Westminster betroffen sein. Ihre Mandate können ihnen deswegen aber nicht entzogen werden, da sie direkt vom Volk gewählt sind.
Der Parlamentspräsident (Speaker) des Unterhauses kann jedoch Abgeordnete ausschließen, die zu einer Haftstrafe verurteilt wurden oder deren Ausschluss die Ethikkommission des Parlaments empfiehlt.
Es gibt auch eine relativ komplexe Prozedur, wonach die Wähler in einem Wahlkreis die Absetzung ihres Abgeordneten beantragen dürfen. Dies ist in einem Gesetz von 2015 geregelt, wurde aber noch nie in der Praxis angewandt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus