: Beißhemmung bei Richtern
■ Oberverwaltungsgericht setzt Hundeverordnung zunächst einmal nicht außer Kraft
Der Rassenkatalog in der Hamburger Hundeverordnung verstößt nicht offenkundig genug gegen das Grundgesetz, um die umstrittene Verordnung im Eilverfahren außer Kraft zu setzen. Das hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht (OVG) in einem gestern veröffentlichten Beschluss entschieden. Damit sei jedoch noch keine Grundsatzentscheidung für das Hauptverfahren getroffen worden, sagte OVG-Sprecher Karsten Schulz der taz hamburg.
Nach der OVG-Entscheidung verstößt grundsätzlich eine Einschränkung der Hundehaltung in Anknüpfung an bestimmte Rassen (Pittbull, American Staffordshire, Bullterrier) nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn diese Hunde der so genannten „Kategorie I“ tatsächlich durch überproportionale Bissvorfälle aufgefallen sind.
Daran ändere auch nichts, wenn Hunde der „Kategorie II“ (Dobermann, Rottweiler, Deutsche Dogge, Deutscher Schäferhund) grundsätzlich als genauso gefährlich einzustufen sind. Im Eilverfahren sei nicht festzustellen gewesen, dass die Annahme der Behörde willkürlich getroffen worden sei. Die Behörde sei nämlich nicht verpflichtet gewesen, „die Ursachen für die erhöhte Beteiligung an Bissvorfällen zu ermitteln“, bevor sie Maßnahmen ergreift.
In diesem Sachverhalt wittern KampfhundeliebhaberInnen ihre Chance. „Es gibt keine empirische Erhebung, die die erhöhte Bisshäufigkeit stützt“, so Rechtsanwalt Ulrich Wollenteit gegenüber der taz. Wollenteit hat vor wenigen Monaten ein Gutachten über die Verfassungswidrigkeit der Hundeverordnung vorgelegt. „Es gibt in der Behörde eine geradezu erschreckende Unkenntnis über die Bisshäufigkeit“, wirft Wollenteit den Verantwortlichen vor. „Wir werden sehen, ob wir daran anknüpfen können.“
So werden zur Verteidigung der „Hundeverordnung zur Gefahrenabwehr“ Bissvorfälle unter Artgenossen aufgelistet, die unter das „Tierschutzgesetz“ fallen und damit der „Gesetzzuständigkeit des Bundes“ unterliegen. Der Jurist ist zuversichtlich, dass das OVG bald in Folgeverfahren seine Position revidieren wird, wenn ihm konkrete Zahlen vorgelegt werden.
Kai von Appen
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