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Bei nächster UN-VollversammlungAuch Belgien will Palästina anerkennen

Die belgische Regierung will Palästina als Staat anerkennen – und neue Sanktionen verhängen. Deutschland ist mit seiner Haltung zunehmend isoliert.

Außenminister Maxime Prévot kündigte die Änderung von Belgiens Nahost-Politik an Foto: Foto: Nicolas Maeterlinck/imago

Brüssel taz | Belgien will sich der Initiative Frankreichs und Saudi-Arabiens anschließen und während der UN-Generaldebatte in New York einen Palästinenserstaat anerkennen. Außerdem will die belgische Föderalregierung die humanitäre Hilfe für die Palästinenser ausweiten und umfangreiche Sanktionen gegen Israel verhängen. Dies kündigte Außenminister Maxime Prévot in Brüssel an.

Die Anerkennung Palästinas kommt aber nur unter Vorbehalt. Laut Prévot wird dieser Schritt formell erst vollzogen, wenn die Hamas „die letzten Geiseln freigelassen“ hat. Außerdem müssten „Terrororganisationen wie Hamas“ von der Macht in einem künftigen Staat ausgeschlossen werden. „Die Anerkennung ist also an zwei Bedingungen gebunden“, so Prévot.

Bei den Sanktionen zeigt Belgien keine Zurückhaltung. Insgesamt sind zwölf „harte“ Strafmaßnahmen gegen Israel, aber auch gegen Hamas geplant. Nach dem Vorbild Irlands und Sloweniens verhängt die belgische Regierung ein Einfuhrverbot für Waren, die von israelischen Siedlern in den besetzten Palästinensergebieten hergestellt, abgebaut, geerntet oder verarbeitet werden.

Als weitere Beispiele nannte Prévot den Stopp aller Waffenlieferungen sowie eine Überprüfung staatlicher Geschäfte mit israelischen Unternehmen. Außerdem sind Einreiseverbote für zwei israelische Minister und mehrere Siedler geplant. Belgien will sich zudem auf EU-Ebene für Sanktionen einsetzen, darunter die teilweise Aussetzung des Assoziierungsabkommens, etwa im Handel.

Die Entscheidung fiel in einer Krisensitzung

Prévot erklärte, die Entscheidung sei wegen der „humanitären Tragödie“ im Gazastreifen getroffen worden. Belgien stehe nach dem Völkerrecht in der „Pflicht, das Risiko eines Genozides“ zu vermeiden. Es gehe nicht darum, das israelische Volk zu bestrafen, betonte der Minister. Man wolle sicherstellen, dass Israels Regierung „das Völkerrecht und das humanitäre Recht achtet“.

Die Entscheidung fiel in einer Krisensitzung der belgischen Föderalregierung, die bis in den frühen Morgen dauerte. Vorausgegangen waren mehrere große pro-palästinensische Demonstrationen, Boykottaufrufe gegen Israel und den Waffenhandel sowie ein Parteienstreit, der fast die Regierung gesprengt hätte. Auch in der wichtigen Region Flandern wäre es beinahe zum Bruch gekommen.

Für die Anerkennung Palästinas und einen härteren Kurs gegen Israel hatten sich vor allem Sozialdemokraten und Christ­demokraten ausgesprochen. Die in der Regierung tonangebenden Parteien, der rechtslastige flämische N-VA und das liberale wallonische Mouvement Réformateur MR, blockierten dies lange. Bis zuletzt schien es, als könnten sie sich durchsetzen.

Premierminister Bart De Wever (N-VA) hatte sich nach einem Besuch bei Kanzler Friedrich Merz in Berlin noch in der vergangenen Woche gegen eine Anerkennung Palästinas ausgesprochen. Allerdings war der Druck auf die Regierung zuletzt weiter gewachsen – nicht zuletzt wegen der israelischen Militär­offensive in Gaza-Stadt und der Unfähigkeit der EU, sich auf Maßnahmen zu einigen.

So hat Deutschland bei einem Treffen der EU-Außenminister in der vergangenen Woche in Kopenhagen erneut europäische Sanktionen gegen Israel blockiert. Außenminister Johann Wadephul (CDU) will nicht einmal symbolischen Maßnahmen wie der Aussetzung der Forschungszusammenarbeit zustimmen. Allerdings ist Deutschland mit dieser Haltung zunehmend isoliert. Nur Österreich und Ungarn unterstützen den Kurs.

Den Ton in der EU geben hingegen die Niederlande und Frankreich an, die Sanktionen fordern und die Anerkennung Palästinas als Schritt zu einer Zweistaatenlösung sehen. Nun hat sich Belgien der Mehrheit angeschlossen – und damit den Druck auf Deutschland nochmals erhöht.

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