Behindertenparlament in Berlin: Hier werden Hürden beseitigt

Bei der diesjährigen Auftaktveranstaltung macht das Berliner Behindertenparlament Druck auf den neuen schwarz-roten Senat.

Menschen, teilweise im Rollstuhl, stehen vor dem Eingang eines Hauses

Teil­neh­me­r*in­nen am Behindertenparlament am Sonntag Foto: Toni Petraschk

BERLIN taz | Braucht jemand Kopfhörer? Wer konnte den Fahrdienst nutzen? Haben alle Rollstühle Platz? Funktioniert die Übersetzung in leichte Sprache?

Bevor der diesjährige Auftakt des Berliner Behindertenparlaments am Sonntag losgeht, gilt es in der Landeszentrale für politische Bildung (LpB) am Zoo, Hürden zu beseitigen. Hürden, denen sich die 600.000 Ber­li­ne­r:in­nen mit Behinderung tagtäglich gegenübersehen. Und jenen bei der politischen Teilhabe. Hürden also, die das Behindertenparlament abschaffen will – indem es Einfluss auf die Landespolitik nimmt.

Etwa 40 Teilnehmende sind in die Landeszentrale gekommen, noch mal so viele waren online zugeschaltet. Auch die neue Senatorin für Integration, Gleichstellung und Antidiskriminierung, Cansel Kiziltepe (SPD), und die sozialpolitischen Spre­che­r:in­nen von SPD, Grünen und CDU im Abgeordnetenhaus.

Cornelia Seibeld, CDU

„Sie dürfen weiter mit unserer Unter­stützung rechnen“

„Ich wünsche mir, dass die Politiker das Behindertenparlament ernst nehmen“, sagt Christian Specht, Aktivist, taz-Kolumnist, Initiator und Präsident des Behindertenparlaments zu Beginn der Beratungen. Den neuen Regierenden Bürgermeister und dessen Senat ruft Specht auf, das Gremium von Selbst­ver­tre­te­r:in­nen und seine Forderungen zu unterstützen. Vom Parlament fordert er, ein Büro im Abgeordnetenhaus bereitzustellen.

Vorbild: Bremen!

2018 hatte Specht das bundesweit erste Behindertenparlament in Bremen besucht und das Format durch unermüdliches Netzwerken an die Spree geholt. Die Teilnahme steht allen offen: Menschen mit Behinderung, Angehörigen, Betreuenden. Die Lebenshilfe ist beteiligt, der Behindertenverband, die LpB, die Landesvereinigung Selbsthilfe und der Paritätische. Eine wiederkehrende Frage am Sonntag ist, wie noch mehr Menschen erreicht werden können.

Seit 2020 verständigen sich die engagierten Einzelpersonen und Verbände in Fokusgruppen über politische Forderungen. An sogenannten Parlamentstagen werden den Lan­des­po­li­ti­ke­r:in­nen dann entsprechende Anträge übergeben. Im Dezember 2022 geschah das erstmals im Plenarsaal des Abgeordnetenhauses mit Mitgliedern des rot-grün-roten Senates und des Parlaments. Dann kam die Wiederholungswahl.

„Sie dürfen auch weiterhin mit unserer Unterstützung rechnen“, sagt Cornelia Seibeld, neue CDU-Präsidentin des Abgeordnetenhauses, am Sonntag in einer Videobotschaft. Auch der Parlamentstag soll im Dezember wieder im Plenarsaal stattfinden können. Seibeld versprach auch unter Schwarz-Rot politische Aufmerksamkeit für das Behindertenparlament und seine Forderungen.

Dem schließt sich Senatorin Kiziltepe, erst zwei Wochen im Amt, an. Ihr Bruder sei Rollstuhlfahrer. Inklusion sei nicht nur ein persönliches, sondern auch ihr politisches Ziel. Einen Schwerpunkt wolle sie auf die Arbeitswelt setzen, die landeseigenen Betriebe sollten zu Inklusionsvorbildern werden. Die Priorisierungen ihrer Vorgängerin Katja Kipping (Linke) nannte Kiziltepe richtig. Das Landesgleichstellungsgesetz will sie „schleunigst umsetzen“, den Partizipationsfonds des Landes aufstocken und daraus dem Behindertenparlament selbst Förderung zukommen lassen.

„Wir werden Sie kontrollieren“

Die sozialpolitischen Sprecher von CDU (Björn Wohlert) und SPD (Lars Düsterhöft) sichern zu, die 17 Anträge des Behindertenparlaments in der ersten Sitzung des neuen Sozialausschusses auf den Tisch zu bringen. „Bleiben Sie hart mit uns“, fordert Wohlert. Die kritischen Nachfragen der Teilnehmenden zur Überforderung der Sozialämter, zur Beschulung von Kindern mit Behinderung, zu Geflüchteten mit Behinderung und anderen Themen lassen darauf schließen. „Wir werden Sie kontrollieren“, versichert Parlamentspräsident Specht.

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