piwik no script img

Befristete, möblierte WohnungenBefristete Geschäftemacherei

Bezirke und Senat wollen den Trend zu zeitlich begrenzten Mietverträgen für möblierte Wohnungen stoppen. Doch ganz so schnell wird das nicht gehen.

Hauptsache, Innenstadtlage Foto: Iamgo/snapshot-photography/T. Seeliger

Berlin taz | Im Grundsatz sind sich alle einig, vom grünen Baustadtrat im rebellischen Friedrichshain-Kreuzberg über seinen Kollegen von der CDU in Charlottenburg-Wilmersdorf bis hin zum Senat und der kommenden Bundesregierung: Dass immer mehr Wohnungen zeitlich befristet und möbliert vermietet werden, torpediert das Ziel, den Wohnungsmarkt bezahlbar zu halten. Doch bis das Geschäftsmodell wirksam zurückgedrängt werden kann, werden wohl noch Jahre vergehen.

Immerhin, ein Aufschlag ist gemacht. Florian Schmidt, Stadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg, spricht gar von einem „Schocksignal an die Betreiber“, das sein Bezirk zuletzt ausgesendet hat. Seit Mitte Januar gilt dort eine Nutzungsuntersagung für möbliertes Wohnen auf Zeit, zumindest in Milieuschutzgebieten, die aber einen Großteil des Bezirks – und der Berliner Innenstadt – ausmachen.

Bür­ge­r:in­nen sind aufgefordert, über eine Plattform Hinweise weiterzugeben, wenn der Verdacht auf solcherlei Wohnformen besteht. Nach nur wenigen Wochen sind Verfahren gegen zwölf Vermieter, teils wegen mehrerer Wohnungen eingeleitet, zu ersten Anhörungen soll es schon bald kommen.

Ein Blick auf die Wohnungsportale zeigt: Das Angebot an fertig eingerichteten Wohnungen, die nur für drei, sechs oder neun Monate vermietet werden, ist riesig. Schon 2022 entfielen mit 30.000 Inseraten 54 Prozent aller Wohnungsangebote auf möbliertes Wohnen, in Friedrichshain-Kreuzberg waren es sogar 70 Prozent. Es ist der Supertrend der Wohnungsbranche, denn er ist super profitabel.

Eine Marktanalyse von 2024 kommt zu dem Schluss, dass Berlin „herausragender Hotspot“ dieses Segments ist und „mit einer Preisdifferenz von 8,01 Euro zwischen möblierten und unmöblierten Wohnungen“ im Städtevergleich führe. Während normale Wohnungen für durchschnittlich 15 Euro pro Quadratmeter angeboten werden, werden für möblierte 23 Euro fällig.

Ein Urteil fehlt

In Friedrichshain-Kreuzberg wurde man schon frühzeitig auf das Phänomen aufmerksam und untersagte einem Vermieter an der Weberwiese die Vermietung von vier möblierten Wohnungen. Mitte Januar sollte es zum Prozess kommen, doch der Vermieter zog kurzfristig seine Klage zurück. Stadtrat Schmidt interpretierte dies als „taktische Flucht vor einer Grundsatzentscheidung“ und kündigte an, die Rechtsauffassung des Bezirksamts ab jetzt systematisch anzuwenden. Schließlich sei es den Menschen nicht zuzumuten, weitere Jahre auf eine Gerichtsentscheidung zu warten.

Rückendeckung gab es im Sommer 2024 aus Charlottenburg-Wilmersdorf. Ein vom ­Bezirksamt in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten kam zu dem Schluss, dass die Kurzzeitvermietung möblierter Wohnungen eine Nutzungsänderung darstellt, die in Milieuschutzgebieten genehmigungspflichtig ist, da „die Wohnung der Wohnbevölkerung, deren Zusammensetzung es zu schützen gilt, künftig nicht mehr zur Verfügung steht“. Die Berliner Mietergemeinschaft nennt ein weiteres Problem: „Die besonders hohen Mieten gehen auch in den Mietspiegel ein und treiben damit alle Mieten nach oben.“

Seit September fragt der Bezirk in allen Genehmigungsverfahren zu Bauprojekten in Mi­lieuschutzgebieten, ob Wohnungen unbefristet und unmöbliert vermietet werden sollen – und erteilt nur dann eine Genehmigung. Nach Fertigstellung werde dies auch stichprobenartig kon­trolliert, sagt CDU-Stadtrat Christoph Brzezinski.

Zudem wurden in zwei Fällen bestehender Vermietungen von großen, auf diese Form spezialisierten Unternehmen Verfahren eingeleitet; die Nutzungsuntersagungen werden mit externer Rechtsberatung erarbeitet. Dass die Vermieter dagegen klagen werden, hält Brzezinski für höchstwahrscheinlich. Schließlich „entziehe man ihnen ein Stück weit die Geschäftsgrundlage“. Noch dieses Jahr könnten die Fälle vor Gericht landen, eine Entscheidung werde dann aber eher zwei Jahre dauern.

Befristungsgründe zählen nicht

Laut Gesetz dürfen Verträge nur befristet laufen, wenn ein besonderer Grund vorliegt, nach Ablauf des Mietverhältnisses der Vermieter oder ein Angehöriger selbst einziehen möchte, die Wohnung zu einer Werkswohnung wird oder eine Sanierung der Wohnung ansteht. In den Bezirken geht man davon aus, dass dies regelmäßig nicht zutrifft. Und selbst wenn, ändert das nichts an ihrer Rechtsauffassung, dass eine Befristung dann immer noch mit den Zielen des Milieuschutzes kollidiert.

Kürzlich gab es eine Fachtagung mit zehn Bezirken über die Regulierung dieser Wohnformen, eine nächste ist für diesen Mittwoch geplant. Auch Neukölln hat daran großes Interesse, wie Baustadtrat Jochen Biedermann (Grüne) sagt: Der Kampf gegen befriste Vermietungen „ist eine der zentralsten Fragen, die auch über die Frage der Existenzberechtigung von Milieuschutz entscheidet“, so Biedermann. Die Bezirke müssten jetzt „dringend Hebel finden“, auch, wenn er präferieren würde, dass der Bund tätig wird.

Ins Verhandlungspapier von CDU/CSU und SPD auf Bundesebene hat es der Satz geschafft: „In angespannten Wohnungsmärkten werden Indexmieten bei der Wohnraumvermietung, möblierte und Kurzzeitvermietungen einer erweiterten Regulierung unterworfen.“ Ob dem so ist und, wenn ja, wie schnell etwas folgt, ist nicht absehbar.

Auch im Senat ist man sich der Problematik bewusst, obwohl mit der landeseigenen Berlinovo ein großer Player am Markt ist, der in ganz Berlin 7.000 Serviced Apartments anbietet. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung schreibt auf Anfrage von „hohen bis sehr hohen Mieten“ durch die Zeit-Wohn-Modelle, die für Be­woh­ne­r:in­nen „finanziell nicht darstellbar“ sind. Aus diesem Grund „präferiert“ die Stadtentwicklungsverwaltung die Meinung des Gutachtens aus Charlottenburg-Wilmersdorf. „Ein berlinweit einheitliches Vorgehen ist daher geboten.“ Geprüft würde nun, „welche rechtlichen und finanziellen Risiken mit einer einheitlichen Steuerung der Wohnen-auf-Zeit-Modelle angesichts fehlender Präzedenzfälle verbunden sind“.

Wenn die Bedenken nicht überwiegen, könnten im Anschluss die Ausführungsvorschriften für Milieuschutzgebiete um ein Verbot entsprechender Verträge ergänzt werden – und damit als Handreichung für alle Bezirke gelten. Es könnte der Anfang vom Ende dieses Geschäftsmodells sein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • " Doch bis das Geschäftsmodell wirksam zurückgedrängt werden kann, werden wohl noch Jahre vergehen."



    Hä? Warum Jahre? Einführung hat doch auch nur Milisekunden gedauert.



    Einkommen aus nicht erwerbsmäßiger Arbeit mindestens so hoch besteuern wie die benannte, ohne Fluchtwege.



    Grund und Boden sind Allgemeineigentum*.



    Eine Generationenfrist von ca. 30 Jahren für den Übergang.



    *GrundGesetzlich, ab sofort

    • @LeKikerikrit:

      Warum soll ich nicht eine Wohnung möbliert, befristet mieten dürfen für eine Miete auf die ich mich mit dem Vermieter geeinigt habe? Es gibt in Deutschland Vertragsfreiheit. Wenn man temporär in Berlin leben und arbeiten muss ist so ein Angebot Spitze und wenn man entsprechend verdient ist auch die Mietsumme akzeptabel.

  • Man doktort an den Symptomen herum, weil man verhindern will das der Markt der Politik den echten Preis für Wohnungen präsentiert. Würde man die Beschränkungen aufheben würden die Preise massiv anziehen weil sich Leute finden die die Preise bezahlen würden und weil die Politik preiswertes bauen unmöglichgemacht hat. Gibt eine Menge Leute die gut verdienen und bereit sind mehr zu zahlen für eine gute Wohnung und es gibt eine Menge Menschen die zumindest ansatzweise in der Nähe ihres Arbeitsplatzes leben wollen. Es sind nicht die bösen Spekulanten die die Oma weg vertreiben sondern das Pärchen das im IT Sektor arbeitet oder der Facharzt die halt im Altbau wohnen wollen und 1600€ für 60 qm zahlen kalt.



    Anstatt an den Symptomen rum zu Doktoren müssen bauauflagen gestrichen werden, es muss höher gebaut werden, viel höher und die Gemeinden müssen weniger Flächen für Gewerbeflächen ausweisen. Deutschland wächst durchschnittlich um 200.000 oder so pro Jahr, Menschem ziehen in die Städte, klar werden da die Wohnungen knapp.