Bedrohter Journalist über Rechte: „Ich bin kein Einzelfall“
Der Dortmunder Journalist Peter Bandermann wird von Rechtsextremen bedroht. Er sagt, man könne nicht so tun, als gäbe es kein Naziproblem in der Stadt.
taz: Herr Bandermann, wie begannen die Nachstellungen?
Peter Banderman: Im November 2014 ist mein Name auf einer Neonazi-Liste im Internet aufgetaucht. Auf der Liste standen insgesamt zehn Personen, die potenziell geeignet sein sollten, dass man vor ihrer Haustür demonstriert. Wir wurden zu Volksverrätern erklärt, ich wurde als Repräsentant der Lügenpresse diffamiert.
Die Polizei hat mit einer Verbotsverfügung die Demonstration abgewendet. Es gab dann aber eine Farbattacke auf Ihr Haus.
Kurz vor dem geplanten Demonstrationstermin wurden in meiner Nachbarschaft Flugblätter verteilt, meine Nachbarn sollten informiert werden, wer da unter ihnen wohnt. Im Internet wurde dazu aufgerufen, mich privat zu besuchen, meine Anschrift wurde veröffentlicht. Mit der Folge, dass in der Nacht zum zweiten Weihnachtstag unbekannte Personen unser Haus mit schwarz-roter Farbe beworfen haben.
Im Februar dieses Jahres erschien dann im Internet eine Todesanzeige mit Ihrem Namen.
Jahrgang 1967, berichtet für die Ruhr Nachrichten über „Polizei, Feuerwehr und alles, was die Großstadt sonst noch so hergibt“. Dazu gehört in Dortmund auch eine starke rechtsextreme Szene. Seit einem Jahr wird er deshalb bedroht. Für seine Arbeit wurde ihm gerade die „Goldene Victoria für Pressefreiheit“ vom Verband deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) verliehen.
Das war eine neue Dimension. Betroffen von diesen Todesanzeigen war allerdings nicht ich allein, sondern mit mir vier weitere Dortmunder Journalisten, die über Rechtsextremismus intensiv berichten. Ich bin also kein Einzelfall. Eine hohe zweistellige Zahl von Personen wird in Dortmund von Nazis bedroht – vom Antifa-Aktivisten bis hin zum Oberbürgermeister. Wir haben uns in dieser Stadt leider schon an Nachstellungen gewöhnt.
Konnten Sie die Todesanzeigen im Internet löschen lassen?
Ich habe sofort Facebook und Twitter angeschrieben. Die Unternehmen haben sich geweigert, die Anzeigen zu löschen, da sie einen strafrechtlichen Hintergrund nicht erkennen konnten oder wollten. Das war sehr ärgerlich. Diese Anzeigen haben sich dann aber medial sowieso rasant verbreitet, ihr Umlauf war nicht mehr zu stoppen.
Anonyme Anrufe, Nachstellungen und Nazi-Post gehören mittlerweile zu Ihrem Alltag. Immer wieder haben Sie die Polizei eingeschaltet. Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen, aber inzwischen eingestellt mit der Begründung, es gebe keine „schwerwiegende Beeinträchtigung Ihrer Lebensgestaltung“. Können Sie das nachvollziehen?
Die Justiz entscheidet unabhängig, das akzeptiere ich. Ich verstehe allerdings die Begründung nicht. In Dortmund gab es zwischen 2000 und 2006 fünf Todesopfer rechter Gewalt, jährlich verüben Rechtsextreme schwere Angriffe. Als Bürger erwarte ich, dass die Justiz darauf eine Antwort findet. Wir können nicht so tun, als gäbe es kein Naziproblem in unserer Stadt.
Es gibt verschiedene Initiativen, den Opferschutz zu stärken. Unter anderem fordert die CDU im Landtag, dass Opfer nicht unbedingt Wohnort oder Beruf wechseln müssen, um nachzuweisen, dass Nachstellungen ihnen zusetzen. Würde Ihnen eine solche Änderung des Stalkingparagrafen helfen?
Ich finde es grundsätzlich gut, den Opferschutz zu stärken. Dass das in meinem Fall helfen würde, bezweifle ich aber. Nazis lesen Gesetzestexte und es gelingt ihnen immer wieder, sich haarscharf am Strafgesetzbuch vorbeizumogeln. Die subtile Bedrohung durch sie wird sich immer ihren Weg suchen. Journalisten werden ja auf Pegida-Demonstrationen zu Freiwild erklärt, jeder, der über Rechtsextremismus berichtet, muss sich um seine Sicherheit sorgen.
Vor einigen Jahren wurde eine Familie in Dortmund-Dorstfeld so lange von Neonazis bedroht, bis sie die Stadt verließ. Auch Sie haben Familie. Haben Sie sich nie überlegt, auch einfach wegzuziehen?
Diese Überlegung gab es nie. Meine Frau sagt: Lass‘ Dich nicht unterkriegen. Meine Tochter beobachtet die Ereignisse sehr genau, und nach den Neonazi-Angriffen in Heidenau hat sie zu mir gesagt: Ihr Journalisten dürft eure Laptops jetzt nicht zuklappen. Wir haben den Auftrag, sorgfältig zu recherchieren und die Pressefreiheit zu wahren. Das hat mein 17-jähriges Mädchen erkannt.
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