Bayern holen den DFB-Pokal: Atempause für Thomas Doll
Während der FC Bayern sammelwütig weitere Pötte an sich reißen will, verschafft das unverhofft spannende DFB-Pokalfinale BVB-Trainer Thomas Doll ein wenig Luft.
Man wusste nicht genau, ob Thomas Doll nun traurig, enttäuscht oder einfach nur gefrustet war. Wahrscheinlich war es eine Melange an unschönen Gefühlslagen, die ihn nach dem Pokalfinale gegen die Bayern im Berliner Olympiastadion bewegte. Sehr, sehr abgespannt schaute er drein, als er im Keller des aufgehübschten Nazibaus ein paar Worte zum Spiel sprach. Gut, die Borussen hatten in der Verlängerung mit 1:2 verloren, aber die Tatsache, dass sein Klub vor 74.000 Zuschauern eben nicht den heillos unterlegenen Sparringspartner abgegeben hatte, sondern unerwartet die Bayern-Defensive attackierte, das hätte Doll eigentlich beleben sollen. Er sprach zwar davon, dass dieses Spiel nun Kräfte für die kommenden Aufgaben in der Bundesliga freisetze, dass sein Team "Schwung mitnehmen" wolle, doch seine Aussagen standen in krassem Widerspruch zur mimischen Untermalung. Diese Parolen konnte man dem müden Mann nicht abnehmen. Zermürbt von der Diskussion um seine Kompetenz und Führungsstärke trat er nur noch in der Hülle eines Entscheiders auf.
Ja selbst am großen Tag des Finales hatte es Spekulationen um seinen Nachfolger gegeben. Die Nachrufe auf Doll waren geschrieben; bei einer weiteren Klatsche hätte er mit seiner sofortigen Abberufung rechnen müssen. Jürgen Klopp, so war allerorten zu hören, sei im Gespräch und anscheinend bereit, Doll zu beerben. Das war an diesem Tag eine heikle Nachricht, weil ebenjener Klopp als TV-Experte fürs ZDF kommentierte. Befragt, wie es mit dem BVB nun weitergehe, sagte Klopp, sie müssten nun den Abstieg sichern. Aber das werde denen schon gelingen. Wie gesagt, es handelte sich nur um ein Gerücht, aber dass es aufkam, fand Doll sehr pietätlos. "Mich hat das alles nicht interessiert", sagte er ein bisschen bockig. "Ich finde das respektlos. Hier ist die Medienlandschaft wohl so, dass man selbst an einem Pokaltag über den Trainer diskutiert." Und noch einmal: "Aber mich interessiert das nicht, ich werde meinen Weg gehen."
Außer einem engagierten Auftritt der Schwarz-Gelben in der Hauptstadt spricht derzeit nicht viel für Thomas Doll. Torjäger Mladen Petric nur im offensiven Mittelfeld agieren zu lassen darf als taktischer Fehlgriff verstanden werden, auch sonst scheint das Team keiner übergeordneten Idee zu folgen. Immerhin kamen ihnen am Samstag die Bayern entgegen, die irgendwann in der zweiten Halbzeit, nachdem sie eine Reihe von guten Chancen vergeben hatten, das Fußballspielen vergaßen. Das Momentum lag nun klar aufseiten der Borussen. Sie schafften sogar in letzter Minute den Ausgleich zum 1:1, hätten in der Verlängerung den famosen Torwartveteran Oliver Kahn fast noch einmal überwunden, doch das italienische Glückskind Luca Toni hielt wieder einmal im richtigen Moment den Fuß an den Ball - einszwei. Der Rest war Jubel und Trubel und Konfettiregen und Bierdusche und Sektspritzerei und Rumrennerei mit dem Pott.
Ergebnis: 1:2 n.V. (1:1,0:1)
Borussia Dortmund: Ziegler - Rukavina (79. Buckley), Wörns, Kovac, Dede - Kehl (86. Valdez) - Blaszczykowski, Kringe - Tinga - Frei (71. Klimowicz), Petric
Bayern München: Kahn - Lell, Lucio, Demichelis, Lahm - Schweinsteiger (86. Sagnol), van Bommel, Zé Roberto (113. Ottl), Ribéry - Klose (69. Podolski), Toni
Zuschauer: 74 244 (ausverkauft)
Tore: 0:1 Toni (11.), 1:1 Petric (90.+2), 1:2 Toni (103.)
Gelbe Karten: Klimowicz, Petric, Rukavina, Kovac, Tinga, Frei / Toni, Zé Roberto
Gelb-Rote Karten: Blaszczykowski (108./Foulspiel) / -
Den Bayern indessen kann man nicht vorwerfen, einer großen Idee zu folgen. Sie wollen in dieser Spielzeit drei Titel holen. Wie, das scheint ihnen völlig egal zu sein. Mal abgesehen vom Ligapokal, den Trainer Ottmar Hitzfeld bereits auf der Habenseite verbucht, soll nach dem DFB-Pokalerfolg noch die Meisterschaft (vielleicht schon am nächsten Spieltag) und der Uefa-Pokal (am 14. Mai in Manchester) gewonnen werden. Der bajuwarische Einjahresplan wird mit gespenstischer Effektivität umgesetzt - und mit einer erschreckenden Portion Glück. Im Pokal wurden die Bayern in der Vorrunde nur durch einen Pantersprung von Oliver Kahn gegen Burghausen am Leben gehalten. In Getafe kippte Fortuna Füllhörner eines Wundermittels über den Bayern aus, die ihr Glück wohl selbst kaum fassen konnten, und in Berlin wurde wieder einmal Toni von der Muse der Torjägerkunst geküsst.
"Es fehlen noch zwei Titel zum Triple", sagte er, um es gleich noch einmal zu wiederholen. "Es fehlen noch zwei Titel zum Triple." Es klingt wie ein Strabreim. Oder ein Mantra. Die Bayern beten es wohl kollektiv vor sich her. Ob es im Uefa-Pokal-Halbfinale gegen Zenit St. Petersburg auch zum Erfolg führt? Das Spiel steigt am Donnerstag. Bayern steht vor einer echten Herausforderung. "Das wird ein wichtiges Spiel", sagt Ottmar Hitzfeld, der Taktgeber dieser titelgierigen Belegschaft. Zum Abschied des verdienten Trainers sollen ihm, so die Maßgabe von Manager Uli Hoeneß, alle greifbaren Trophäen zu Füßen gelegt werden. Einen Abgang im Glanze der Pokale ist auch Hitzfeld selbst zur höchsten Pflicht geworden. Nebenbei würde er damit die Ansprüche an seinen Nachfolger Jürgen Klinsmann multiplizieren, der die Bayern auf links drehen will. Aber das liegt weit in der Zukunft. Für diesen Moment ist Hoeneß "ein glücklicher Mensch", mit ihm vielleicht auch Ottmar Hitzfeld. Wie Thomas Doll beide doch beneiden dürfte.
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