Bayerischer Innenminister im Wahlkampf: Schnellverfahren gegen Asylbewerber
Bayerns Innenminister macht Wahlkampf auf dem Rücken von Asylbewerbern. Wer aus Mazedonien und Serbien kommt, soll innerhalb von 48 Stunden abgeschoben werden.
![](https://taz.de/picture/191396/14/02102012_Bayern_Innenminister_Joachim_Herrmann_dpa.jpg)
BERLIN/MÜNCHEN dapd | Über die Asylanträge von Mazedoniern und Serben soll nach dem Willen von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) künftig binnen 48 Stunden entschieden werden.
Mit einem solchen Schnellverfahren werde ein Zeichen gegen den „Asyl- und Sozialleistungsmissbrauch“ gesetzt, erklärte Herrmann in einem Interview. Er plädierte zudem für eine Aussetzung der Visafreiheit. Die Opposition ist entsetzt über die Forderungen, auch der Koalitionspartner FDP äußert Bedenken.
Hintergrund der Überlegungen ist der enorme Flüchtlingsstrom aus den beiden Balkanstaaten, der zu einer Überbelegung des Aufnahmezentrums im mittelfränkischen Zirndorf geführt hat. Dort werden bereits Zelte errichtet, die als Notunterkünfte dienen sollen. Laut Sozialministerium kamen im Juni 24 Asylbewerber aus Mazedonien und Serbien, im August waren es bereits 120 und im September über 300.
Vorbild Schweiz
Vorbild für das Asyl-Schnellverfahren ist Herrmann zufolge die Schweiz. Seit August kann dort nach einer Anhörung über den Asylantrag binnen 48 Stunden in erster Instanz entschieden werden. „Was ein anerkannter Rechtsstaat wie die Schweiz kann, muss Deutschland auch können“, sagte der CSU-Politiker der Zeitung Die Welt. Auch Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) hatte gefordert, die Asylverfahren zu beschleunigen.
Das Innenministerium sieht einen Grund für die Flut der Asylanträge in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Juli, wonach die Leistungen für Asylbewerber erhöht werden müssen. Herrmann verwies auch darauf, dass Mazedonier und Serben seit Dezember 2009 ohne Visum in die EU einreisen dürfen. Er sprach sich dafür aus, „die Visafreiheit vorübergehend auszusetzen“.
FDP-Sozialexpertin Brigitte Meyer erklärte, zwar müsse die Bearbeitung von Asylanträgen beschleunigt werden. „Ein Hauruck-Verfahren ist aber nicht der richtige Weg.“ Das von Herrmann angedachte Prozedere sei sehr bedenklich, auch aus rechtsstaatlicher Sicht.
Inhumane Asylpolitik
Die SPD-Abgeordnete Isabell Zacharias sagte, anstatt Stammtischparolen abzugeben, solle Herrmann vielmehr dafür sorgen, dass die Situation der Asylbewerber in Bayern sich verbessere. Die Asylpolitik im Freistaat sei „inhuman“ und „menschenunwürdig“. Überfüllte Unterkünfte wie in Zirndorf seien für ein so reiches Bundesland wie Bayern „eine Schande“.
Aus Sicht der bayerischen Grünen-Europapolitikerin Barbara Lochbihler versucht der Minister, eigene Fehler in der Asylpolitik zu überspielen. „Er nutzt die selbst verschuldete Notlage für weitere populistische Auswüchse.“ Die Grünen-Landtagsabgeordnete Renate Ackermann fügte an, die Situation sei absehbar gewesen, „man sieht seit langem eine Flüchtlingswelle auf uns zurollen“.
Der Sprecher für Flüchtlingsfragen bei den Freien Wählern, Hans Jürgen Fahn, sagte, die zentralen Asyleinrichtungen in München und Zirndorf reichten nicht mehr aus. „Wir brauchen nun mehr denn je eine dritte Aufnahmeeinrichtung, um menschenwürdige Bedingungen für die Asylbewerber zu haben.“
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