Asylanträge von Balkan-Roma: Entscheidung in 48 Stunden
Angeblich erschleichen sich serbische und mazedonische Roma Sozialleistungen in Deutschland. Bayern plant jetzt den kurzen Prozess.
Bayern will Schnellverfahren für Asylbewerber aus Serbien und Mazedonien einführen. Binnen 48 Stunden soll über die Anträge entschieden werden, die in der Regel keine Erfolgsaussicht haben. Außerdem will Bayern die Visafreiheit für beide Balkanstaaten aussetzen, so Innenminister Joachim Herrmann (CSU).
Rund 4.300 serbische Flüchtlinge haben in den ersten acht Monaten des Jahres 2012 in Deutschland Asyl beantragt, das sind etwa zehn Prozent aller Antragsteller. Hinzu kommen 2.500 Anträge aus Mazedonien. Keine extrem hohen Zahlen also. Seit August steigen allerdings die Anträge aus beiden Staaten stark an. Über 90 Prozent der Antragsteller aus diesen beiden Ländern sind Roma.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) führt den Anstieg auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zurück, das im Juli eine deutliche Anhebung der Sätze des Asylbewerberleistungsgesetzes forderte. Statt 224 Euro erhalten Flüchtlinge nun 446 Euro monatlich. In Bundesländern wie Bayern, die Sachleistungen oder Gutscheine gewähren, stieg das Taschengeld immerhin von 40 auf 134 Euro.
Die Schutzquote für Antragssteller aus den Balkanstaaten ist allerdings extrem niedrig. Nur 0,3 Prozent der Antragsteller aus Serbien und 0,2 Prozent der Antragssteller aus Mazedonien können in Deutschland bleiben. Selbst in den wenigen erfolgreichen Fällen wird keine Verfolgung festgestellt, sondern persönliche Abschiebehindernisse, etwa schwere Krankheiten.
Radikal verkürztes Verfahren
Zum Vergleich die diesjährige Schutzquote für Flüchtlinge aus den anderen Hauptherkunftsstaaten: Afghanistan (35 Prozent), Irak (62 Prozent), Syrien (94 Prozent) und Iran (53 Prozent). Für das bayerische Innenministerium ist deshalb der Fall klar. „Den Antragsstellern aus Serbien und Mazedonien geht es nur darum, in Deutschland für einige Monate Sozialleistungen zu erschleichen“, sagte ein Sprecher zur taz.
Deshalb soll nun das Asylverfahren für Anträge aus diesen beiden Staaten radikal verkürzt werden. Binnen 48 Stunden sollen die Flüchtlinge in der Regel angehört werden und einen Bescheid erhalten. Falls ein Flüchtling dagegen klagen will, geht auch das schnell.
Wie bisher muss bei Anträgen, die als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt wurden, die Klage binnen einer Woche eingereicht werden. Das Verwaltungsgericht muss dann binnen einer weiteren Woche entscheiden. Anschließend können erfolglose Antragssteller in ihr Heimatland abgeschoben werden.
Vorbild für Herrmanns Vorschlag ist die Schweiz, die seit August mit Asylbewerbern vom Balkan so verfährt. Binnen 48 Stunden sollen im Baseler Empfangs- und Verfahrenszentrum erstinstanzliche Asylbescheide ergehen, wenn nach der Anhörung keine weiteren Abklärungen erforderlich sind. „Die Schweiz ist doch auch ein Rechtsstaat“, sagte Herrmanns Sprecher. Derzeit braucht das BAMF im Schnitt drei Monate für solche Anträge.
„So eine träge und bürokratische Institution“
Zum bayerischen Vorschlag sagt BAMF-Sprecher Robert Drews nur: „Wir bemühen uns, die Verfahren zu beschleunigen“. Bayerns Innenminister Herrmann kann dem Bundesamt keine Vorschriften machen. Das Bundesinnenministerium könnte das zwar, wollte zu dem Vorschlag aber zunächst keine Stellung nehmen.
Anwalt Hubert Heinold, Vize-Vorstand von Pro Asyl, glaubt eh nicht an Schnellverfahren beim BAMF – „bei einer so trägen und bürokratischen Institution.“ Pro Asyl würde dem Schnellverfahren auch nur zustimmen, wenn die Antragsteller in der Anhörung zwingend durch einen Anwalt vertreten werden. „Sonst kann ihnen in dieser kurzen Zeit ja niemand sagen, auf was es im Verfahren eigentlich ankommt“, so Heinold.
Der zweite Vorschlag von Joachim Herrmann ist noch deutlich radikaler: Als Mittel gegen vermeintlich missbräuchliche Asylanträge will er die Visafreiheit für Serben und Mazedonier wieder aussetzen. Diese war den beiden Staaten erst 2009 nach langen Verhandlungen gewährt worden. Die Reisefreiheit sollte Reformbemühungen belohnen und zeigen, dass eine EU-Mitgliedschaft der beiden Staaten möglich ist.
Doch auch hier kann der bayerische Innenminister nur an andere appellieren. Seit 2001 gilt die EU-Visa-Verordnung. Darin ist geregelt, aus welchen Staaten Bürger visafrei in die EU einreisen können. Dabei entscheidet der EU-Ministerrat gemeinsam mit dem Europäischen Parlament, welche Staaten das Privileg erhalten oder wieder gestrichen werden.
Visafreiheit aussetzen?
Künftig soll das Aussetzen der Visafreiheit allerdings einfacher werden. Vor einigen Monaten hat der Rat eine strukturelle Änderung der Visa-Verordnung beschlossen, der aber das Europäische Parlament noch zustimmen muss. Danach soll die Visumfreiheit bis zu 15 Monate ausgesetzt werden können, wenn erfolglose Asylanträge stark ansteigen. Entscheiden würde dann die EU-Kommission nach Rücksprache mit den nationalen Regierungen.
Auf diese noch nicht geltende Regelung zielt Herrmanns Forderung ab. Sollte den Serben die Visafreiheit gestrichen werden, dürfte dies die innenpolitische Ausgrenzung der Roma weiter verschärfen, weil die Roma dann wohl kollektiv für den Rückschlag verantwortlich gemacht würden.
Pro Asyl-Anwalt Heinold findet ohnehin, dass die Asylanträge der Roma überwiegend zu Unrecht abgelehnt werden. „Wenn man mal akribisch zusammen stellen würde, was eine Roma-Familie alles an Ausgrenzung und Gewalt erlebt, dann wäre das Maß einer Gruppenverfolgung wohl erreicht“.
Pro Asyl will deshalb bald einen Präzedenzfall auf den Instanzenweg bringen. Viel Hoffnung hat Heinold aber nicht – wegen den Folgen: „Wenn eine Gruppenverfolgung der Roma erst mal anerkannt ist, dann sind gleich einige hunderttausend Menschen aus relativ nahen Regionen asylberechtigt.“
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