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Baustellen in KroatienAsphalt für Europa

Im Sommer herrscht in Kroatien Baustellenstopp, um den Tourismus nicht zu stören. Ausnahmen gibt es trotzdem, wenn das Geld aus der EU fließt.

Eine neue Asphaltstraße ist immer ein schöner Anblick vor einer Wahl Foto: imago

K ritiker nennen die EU eine Festung, erbaut zur Abwehr unerwünschter Gäste aus Übersee. Kroatien hat viele berühmte und spektakuläre Festungen: antike (erbaut von Illyrern zur Abwehr von Griechen und Römern), mittelalterliche (erbaut von Venezianern zur Abwehr von Osmanen und von Kroaten zur Abwehr von Venezianern) und gegenwärtige (gekauft von arabischen Hotelbesitzern zur Abwehr konkurrierender Scheichs).

Die EU ist auch eine Baustelle, ein unfertiges Projekt, an dem ständig etwas erweitert, eingerissen, oder übermalt wird. Im Kroatischen erinnert „bauštela“ an die „Gastarbajteri“ und gebaut wird in diesem Land noch immer, was das Zeug hält. Ob eine Baugenehmigung vorliegt, ist egal, entscheidend ist die Frage, wie weit es zum Strand ist. Die kroatische Küstenrandbebauung ist auf dem spanischen Weg.

Oft heißt es, Kroatien hätte von Spanien nicht gelernt, wo heute massenweise riesige Bettenburgen die Küste nachhaltig geschädigt haben. Das stimmt natürlich nicht ganz. Denn gelernt haben die Kroaten, dass sich mit Massentourismus sehr schnell sehr viel Geld verdienen lässt. Und nur, weil die Landschaft hinter den Häusern verschwindet, heißt das noch lange nicht, dass die Touristen komplett ausbleiben.

Touristen sind in Kroatien geschützter als die spektakuläre Landschaft. Daher darf ab 1. Juni für drei Monate nirgendwo mehr eine Baustelle sein, damit sich der kostbare Reisende nicht gestört fühlt und nächstes Jahr sein Sommerbett in der Türkei oder Tunesien reserviert. Ein Freund musste die Renovierung seines Hauses deswegen letzten Samstag abbrechen. Am gleichen Tag jedoch wurde im Nachbarort die komplette Hauptstraße aufgerissen, um neuen Asphalt zu verlegen.

Plötzlich auf der Baustelle

Wir spazierten dorthin, um diese unfassbare Dreistigkeit zu bestaunen, und trafen auf kopfschüttelnde Anwohner. „Wie kann das sein? Wieso dürfen die die Touristen mit Staub und Lärm bewerfen und ich nicht?“, regte sich der Freund auf. „Wo ist die EU, wenn man sie mal braucht?“, fragte ein anderer und meinte das nicht nur ironisch.

Die Gemeinde hatte acht Monate Zeit, die Straße neu zu asphaltieren, warum ausgerechnet am ersten Tag, an dem die Touristenruhe gilt? Der Besitzer einer Strandbar unterhalb der Straße liefert eine Erklärung: „Am Sonntag sind Wahlen. Unsere Gemeinde hat sehr viel Geld aus Brüssel bekommen, und jetzt reißt sie eben die Straße auf, damit die Touristen und die Einheimischen sehen, dass wir auch was tun für das Geld und entsprechend wählen.“ So absurd sich das anhört, so wahrscheinlich dürfte das sein.

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Doris Akrap
Redakteurin
Ressortleiterin | taz zwei + medien Seit 2008 Redakteurin, Autorin und Kolumnistin der taz. Publizistin, Jurorin, Moderatorin, Boardmitglied im Pen Berlin.
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