Bauprojekte in Warteschleife: Rätselraten um Adler-Group
Hamburger Bauprojekte verzögern sich, weil das Immobilienunternehmen Adler-Group taumelt. Verantwortlich für den Stillstand ist auch die Politik.
Bekanntestes Beispiel ist das Gelände der ehemaligen Holsten-Brauerei. Zugleich rücken nun zwei weitere Flächen wieder in den Blick. Im Bezirk Harburg geht das Bauprojekt Neuländer Quarree sowie ihm gegenüber das ehemalige Gelände der New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie zurück in die Hände der Adler-Group, die sie eigentlich verkaufen wollte. Doch angesichts der offenbar unklaren Finanzsituation des Investors herrschen Zweifel, ob diese neue Wende eine gute ist.
Schon seit der Hamburger Senat Anfang Mai schmallippig bestätigt hatte, dass er auch über den Rückkauf des Holstenareals mit der taumelnden Adler-Group verhandeln will, herrscht großes Rätselraten: Kommt die Fläche zurück in städtische Hand? Welchen Preis verlangt der Immobilieninvestor?
Und steht nicht ohnehin eine Insolvenz der Adler-Group kurz bevor, die den Bau von Wohnraum in noch fernere Zukunft verschieben könnte? Denn das Holstenareal in begehrter innerstädtischer Lage soll mit 1.300 Wohnungen bebaut werden. Die Stadt hatte der Carlsberg-Brauerei, der Holsten seit einigen Jahren gehört, einst freie Hand beim Verkauf gegeben im Gegenzug dafür, dass der Konzern weiterhin auf Hamburger Gebiet Bier braut.
„Bezirksversammlung von unten“ kommt
Durch dubiose Weiterverkäufe wuchs der Wert der Fläche, zumindest auf dem Papier, auf mittlerweile mehr als 350 Millionen Euro. Nur gibt es berechtigte Zweifel, dass die Adler-Group nicht genug Geld hat, das Bauvorhaben jemals umzusetzen. Der Hamburger Senat sowie das zuständige Bezirksamt Altona stehen deshalb in der Kritik, da ihnen Tatenlosigkeit vorgeworfen wird. So schien es etwa im Juni 2021, dass sich der Bezirk und der Investor recht harmonisch auf Eckpunkte für die Bebauung geeinigt hätten.
Doch zwischenzeitlich wurden Zweifel laut, ob die finanziellen Mittel zur Bebauung vorhanden sind. Angesichts des am Montag verkündeten massiven Rückgangs der fertiggestellten Wohnungen im Jahr 2021 erscheint ein nahender Baubeginn umso drängender.
Ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, das Ende April veröffentlicht wurde, machte jedoch klar: „Der Vorwurf, dass Adler nicht über die finanziellen Mittel verfügt, die Projektentwicklungen umzusetzen, kann auf Basis der uns in der Sonderuntersuchung zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht widerlegt werden.“
Die Forderungen, das Areal wieder in öffentliche Hand zu überführen, werden seither lauter: Auch das Netzwerk Recht auf Stadt fordert das und ruft zur Teilnahme an der „Bezirksversammlung von unten“ am kommenden Mittwoch vor dem Rathaus Altona auf. Denn die Reaktion von Senat und Bezirk erscheint ihnen als zögerlich.
Düsseldorf als Vorbild?
Doch nicht nur Hamburg plagt sich mit der Adler-Group herum: Auch in anderen deutschen Metropolen hatte der Investor Flächen gekauft, die für die Stadtentwicklung und den kommunalen Wohnraum wichtig sind. So etwa in Düsseldorf, wo dem Stadtrat nun der Kragen geplatzt ist. Die schwarz-grüne Ratsmehrheit hat nun einen Antrag eingebracht, über den am Donnerstag abgestimmt werden soll. Damit will die Kommune die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme für zwei Adler-Flächen beschließen. Dort sollte schon vor Jahren mit dem Bau von insgesamt rund 2.300 Wohnungen begonnen worden sein.
Die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme gibt Kommunen besondere Rechte: Das Instrument soll eine koordinierte und schnelle Entwicklung von Gebieten ermöglichen und regelt dafür die Rechte und Pflichten der Beteiligten. Die Stadt kann den Eigentümern der betroffenen Flächen Vorgaben machen – und in letzter Konsequenz die Enteignung ermöglichen, falls dem Willen der Stadt der Entwicklung der Fläche nicht entsprochen wird.
Explizit bringt der Antrag auch die Enteignung der Flächen „als Ultima Ratio“ ins Spiel. „Wir sind bereit, das durchzuziehen“, sagt der Fraktionsgeschäftsführer der grünen Stadtratsfraktion, Stephan Soll. Angesichts dessen, dass auf den beiden Flächen in Düsseldorf seit Jahren nichts vorangehe, sei selbst der koalierenden CDU die Erkenntnis gekommen, dass nun gehandelt werden müsse.
Die Hamburger Stadtentwicklungsbehörde hatte im Fall des Holstenareals dieses Instrument bislang mit der Begründung abgelehnt, dass die rechtlichen Vorgaben hier nicht ziehen würden – die Voraussetzungen zu einer „förmlichen Festlegung einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme“ seien nicht gegeben. Die Stellungnahme der Behörde bezog sich dabei auf die Einschätzung des Geschäftsführers des Stadtplanungsbüros ASK und Lehrbeauftragten der Hafencity Universität (HCU), Andreas Pfadt. Er kam zur gegenteiligen Ansicht.
Rot-Grün schweigt
Die Sorge, dass das Vorgehen in Düsseldorf nicht rechtssicher sei, hat der Grüne Soll nicht. Er beruft sich dabei auf eine Auskunft des wissenschaftlichen Dienst des Bundestages, nach der auch in solchen Fällen die Anwendung des Instruments erlaubt sei.
Von der SPD-geführten Hamburger Stadtentwicklungsbehörde wäre es spannend zu hören, inwiefern sie angesichts der neueren Entwicklungen um die Adler-Group zur städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme steht – und auch, ob der Düsseldorfer Stadtrat mit seinem Vorgehen nicht ein Vorbild wäre.
Doch dort werden alle Anfragen abgeblockt: Man könne lediglich mitteilen, dass „angesichts der aktuellen Situation die beteiligten Stellen der Stadt den Auftrag haben, alle nun bestehenden Möglichkeiten zu prüfen“. Und auch die mitregierenden Grünen in der Bürgerschaft lehnen Anfragen ab, was nun vonseiten der Politik geschehen könne oder müsse, um den Bau von dringend benötigtem Wohnraum auf den Adler-Flächen zu beschleunigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste