piwik no script img
taz logo

Bauprojekt in OsnabrückAllzu schöne neue Welt

Auf einem ehemaligen Bahngelände in Osnabrück planen Investoren einen neuen Stadtteil. In dem soll ein Masterplan alle Konflikte vorab verhindern.

Hier soll einmal das Lok-Viertel entstehen: ehemaliges Bahngelände in Osnabrück Foto: Friso Gentsch/dpa

OSNABRÜCK taz | Mitten in Osnabrück hat sich eine große Chance für die Stadtentwicklung aufgetan: Das „Lok-Viertel“, 22 Hektar, einst ein Rangier- und Güterbahnhof, mitten in der Stadt, Erschließungsbeginn: Herbst 2025. Die Investoren versprechen viel – fragt sich, ob sie das auch einlösen können.

Die Lok-Viertel-OS GmbH der Osnabrücker Aloys-&-Brigitte-Coppenrath-Stiftung, Koordinator des Vorhabens, lobt sich für „eines der spannendsten Stadtentwicklungsprojekte Deutschlands“. Bis zu 2.000 Wohnungen sollen entstehen auf 60 Prozent der Baufläche, dazu Gewerbe, eine Grundschule, Kitas.

Jahrzehntelang prägen Stillstand und Streit die Brache hinter dem Ringlokschuppen, der heute das Coppenrath Innovation Centre beherbergt, zum Thema KI. Krude Ideen stehen im Raum, von der Multifunktions-Arena bis zur Pfingst­be­wegungs-Großkirche.

Die Stadt jongliert planlos mit ihrem Vorkaufsrecht, ihren Bebauungsplänen. Ein ultrakonservativer Zwischen­be­sitzer gefällt sich in Homophobie. Das bunt-alternative Soziokulturbiotop Freiraum Petersburg, lange hier Mieter, wirft das Handtuch. Chaos, Frust, Gepoker um Millionen.

Die Ratsmehrheit ist glücklich

Mittlerweile ist alles in trockenen Tüchern. Die Stiftung hat das Gelände komplett gekauft, ein städtebaulicher Wettbewerb ist abgeschlossen, die Ratsmehrheit ist glücklich, und Lok-Viertel-OS verheißt auf seiner Website vollmundig eine „Chance, Stadt neu zu denken“.

Klar, es ist laut hier: Bahngleise umgeben das Areal, und im Süden liegt ein riesiges Industrie- und Gewerbegebiet. Aber Lok-Viertel-OS verheißt eine Insel der Glückseligen: Nachhaltigkeit als „Leitprinzip“. Viele „dritte Orte“ ohne Konsumzwang. Eine „Caring Community“, um „gemeinschaftlich füreinander zu sorgen“. Kein Zauberwort fehlt, das gut zu Bildern passt, die relaxte Freizeitmenschen zeigen in viel Grün. Von Innovation und Inklusion ist die Rede, von Partizi­pation, Ökologie, Barrierefreiheit.

Das alles ist ernst gemeint. Aber ob die schöne, neue Welt der Realität standhält? Beim Thema Sicherheit bauen die Planer schon mal vor. Ihr sozialer Masterplan verspricht, es gebe keine Angsträume und ein „hohes Maß an ‚positiver‘ sozialer Kontrolle“.

Man wolle „Unsicherheitssituationen, falsche Anreizsignale und mögliche Konflikte“ durch eine Gestaltung von Plätzen und Freiräumen, die Probleme antizipiere, vermeiden; Konflikte nicht durch Vertreibung ausräumen, sondern durch Dialog und Regulierung. Das ziele auf Menschen aus umliegenden Quartieren. Was das konkret heißt, bleibt unklar. Kameras? Streifengänge?

Die soziale Kontrolle werde „durch eine zielgerichtete Quartiersentwicklungspolitik mit hoher Lebensqualität angestrebt, die das Engagement vor Ort fördert, damit gesellschaftlicher Zusammenhalt und Integration gelingen können“, erklärt Gerd Hoofe, Sprecher von Lok-Viertel-OS.

„Dazu gehören die städtebaulich-architektonische Gestaltung und die technische Ausstattung genauso wie das Management der Flächen und Einrichtungen als auch die Verantwortungsübernahme der Nutzerinnen.“ Die Bitte der taz zu konkretisieren, bleibt unbeant­wortet. Man habe „alles gesagt“, sagt Hoofe.

Volker Bajus, Fraktions-Vize der Grünen in Stadtrat und Landtag, teilt die Sorgen vor einer auf Exklusivität setzenden Entwicklung: „Privates Geld wird investiert, weil es Gewinnerwartungen gibt“, schreibt er der taz. Wenn sich diese nicht mit der ursprünglichen Planung realisieren ließen, könnten Forderungen nach Plan-Änderungen bis hin zu einer Art „Gated Community“ entstehen. „Das darf nicht passieren“, warnt Bajus.

Der beste Schutz seien nicht Kameras und private Sicherheitsdienste, sondern eine bunte und vielfältige soziale Mischung und lebendige öffentliche Räume. Sozialverbände, Ini­tiativen und Bürgervereine müssten in die Planung früh und gut eingebunden sein.

Auf Osnabrück kämen durch das Viertel investive Belastungen „in einem mittleren zweistelligen Millionenbetrag“ zu, schreibt Simon Vonstein, Sprecher der Stadt, der taz. Die Stadt arbeite am Bebauungsplan und sehe sich „auf der Zielgeraden“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Vielleicht ein paar Vorschläge für eine Fortsetzung in dieser Sache:



    Wer sind die Profiteure dieser GmbH?



    Welche bundesweit bekannten Osnabrücker Politiker haben sich in der Vergangenheit als Förderer / Strippenzieher für die Coppenrath-Stiftung gezeigt und was wird jetzt ihr Nutzen aus diesem Projekt sein?

taz zahl ich illustration
taz zahl ich

Ihnen liegt die taz am Herzen?

Dann hätten wir eine Bitte: Unterstützen Sie uns mit einem freiwilligen Beitrag! Denn wir sind auf unsere Leser:innen angewiesen, wenn wir taz.de auch weiterhin frei zugänglich halten wollen. Mit nur 5,- Euro sichern Sie unseren Journalismus und die Zukunft der taz – sind Sie dabei?