piwik no script img

Baumkampf in FriedrichshainDer zwangsgeräumte Kirschbaum

Kommentar von Carlotta Kuhlmann

Ein privat gepflanzter Kirschbaum musste jetzt von der Weberwiese in Friedrichshain verschwinden. Begründung: Der Ort ist denkmalgeschützt.

Mit Beginn des Frühlings fangen auch die Kirschbäume wieder an zu blühen – sofern ihnen der Denkmalschutz nicht in die Quere kommt Foto: Federico Gambarini/dpa

D ie Erde auf der kleinen Grünfläche in dem Hinterhof des markanten Stalin-Baus in der Marchlewskistraße 25 in Friedrichshain ist noch nicht getrocknet. Der Schlamm umgibt einen Kirschbaum. Wobei es vielleicht übertrieben wäre, überhaupt von einem Baum zu sprechen. Vielmehr handelt es sich um einen einsamen, langen Stock, der hier aus der matschigen Erde ragt. Noch so zerbrechlich, dass er an einem Holzpfahl befestigt wurde, um nicht beschädigt zu werden.

Der Kirschbaum ist erst vor wenigen Stunden von der Weberwiese, einer 200 Meter entfernten, bei An­woh­ne­r:in­nen beliebten Grünfläche, umgepflanzt worden. Der Grund: Die Kirsche sei wild gepflanzt worden und das Ensemble der Stalin-Bauten, das die Weberwiese umringt, stehe unter Denkmalschutz, sagt das Grünflächenamt des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg. Bäume in Parks pflanzen für den Klimaschutz – alles schön und gut, doch beim Denkmalschutz hört der Spaß anscheinend auf.

Der Vorgänger des Kirschbaums, eine alte Silberpappel, stand über 40 Jahre auf ebenjenem Platz an der Weberwiese. Die Pappel wurde 2020 für krank erklärt und galt als Bedrohung für Grünflächenbesucher*innen: Schließlich könnten krankheitsbedingt Äste von dem Baum fallen. Trotz lauter Proteste von Anwohner*innen, den Baum zu erhalten, ließ der Bezirk die Pappel im Februar 2020 fällen. An­woh­ne­r*in­nen vermuteten schon damals, dass die Begründung vom Bezirks­amt nur vorgeschoben war.

Botschaft an Gar­ten­freun­d*in­nen

Sie glauben, der Baum habe die Sicht auf die Fassade der Marchlewskistraße 25 versperrt. In der Tat pflanzte der Bezirk anstelle der Pappel keinen neuen Baum. Auf der leerstehenden Fläche passierte nichts, bis dann im Spätsommer 2023 plötzlich ein neuer Setzling aus der Erde ragte. Ein Anwohner soll den Kirschbaum gepflanzt haben und dieser wuchs und gedieh, bis das Straßen- und Grünflächenamt auf den Übeltäter aufmerksam wurde.

Das reagierte auch prompt mit einer einlaminierten Botschaft, befestigt an der Kirsche. Da die Weberwiese unter Denkmalschutz stehe, müsse der Baum umgesetzt werden. Der oder die unbekannte „Gartenfreund*in“ habe bis zum 24. März Zeit, sich nach einer neuen Bleibe für den Baum umzusehen, ansonsten würde das Amt sich der Pflanze annehmen und sie in den Hinterhof umsiedeln.

Jetzt hat die Kirsche ihr neues Zuhause gefunden. Für sie bleibt nur zu hoffen, dass der Grünstreifen vor einem Begegnungszentrum und einer Schule, auf dem sie heranwächst, in 50 Jahren nicht ebenfalls zu einem Denkmal erklärt wird. Aber vielleicht hat sich bis dahin in den Verwaltungen die Einsicht durchgesetzt, dass nicht nur Denkmäler, sondern auch Bäume einen Wert haben.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Das Wort Denkmalamt ist eine Aufforderung.

  • Dit is Berlin.

    Nichts auf die Kette kriegen, aber wenn ein Baum am falschen Fleck steht, muss der sofort weg.