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Bauhaus und Feine Sahne FischfiletKontrollfantasien in der Kritik

Die Ausladung von Feine Sahne Fischfilet sorgt für Streit. Ein offener Brief und eine Landtagsdebatte befassen sich mit Kunstfreiheit und Politik.

Absage an Feine Sahne Fischfilet: Politischer Druck auf das Bauhaus Foto: dpa

Nach der Kritik von Einzelpersonen am Auftrittsverbot für die Band Feine Sahne Fischfilet am Bauhaus Dessau wurde am Mittwoch in Berlin ein offener Brief veröffentlicht. 7 Erstunterzeichner und weitere etwa 130 Persönlichkeiten aus Kunst, Kultur und Architektur kritisieren, „wie die Politik durch offenkundige Weisungen in eine kulturelle Einrichtung hineinregiert“. Der Brief widerspricht der Auffassung von AfD, CDU und Magdeburger Staatskanzlei, die Punkband sei linksextremistisch. Vielmehr sei sie „gegen Rechtsradika­lismus, Sexismus, Homophobie und Fremdenfeindlichkeit engagiert“ und „zu einem wich­tigen Akteur der ostdeutschen Zivil­gesellschaft geworden“.

Nun werde „untersagt, was Rechtsradikale provoziert“. „Ein solches Handeln gefährdet die politische Kultur in unserem Land“, folgert der Aufruf. Einer der wesentlichen Erstunterzeichner ist der 2014 entlassene ehemalige Direktor der Bau­haus­stiftung, Phi­lipp Oswalt. Ein Architekturprofessor, der in seiner fünfjährigen Amtszeit „ordentlich Welle gemacht hat“, wie sich Linke-Kulturpolitiker Stefan Gebhardt im Landtag von Sachsen-Anhalt ausdrückt. Das Bauhaus Dessau habe unter Oswalts Regie „wieder zu atmen begonnen“, weil er dessen frühe Reformideen für die heutige Zeit zu adaptieren versuchte.

Oswalt hatte nach der Nichtverlängerung seines Vertrags 2014 in der Zeit schon den Durch­griff der Landespolitik auf die Bauhaus-Stiftung kritisiert und zeichnet auch jetzt das Bild anhaltender Einmischung über die 100 Jahre seines Bestehens. Bekanntlich konnte auch der Versuch einer ­Neutralisierung durch den dritten Bau­haus-Direktor, Mies van der Rohe, 1932 die Schließung auf Druck der NSDAP nicht abwenden. In der DDR verhinderte die Staatssicherheit 1986 eine kritische Fotoausstellung im Bauhaus und verlangte Entpolitisierung.

Philipp Oswalt geriet schon durch die Umstände seines Amtsantritts 2009 in Konflikt mit der Landesregierung. Der damalige Kultusminister Jan Olbertz riet ihm damals zu „mehr Demut“. In Ungnade fiel der Bauhaus-Direktor spätestens 2010 mit einem kritischen Vortrag ihm Rahmen der Internatio­nalen Bauausstellung. Es ging um die demografische Entwicklung und die Landesplanung in Sachsen-Anhalt. „Die CDU hat damals gekocht“, erinnert sich Oswalt. Kultusminister Stephan Dorgerloh (SPD) betrieb dann in „Gutsherrenmentalität“ seine Absetzung. „Die wollen Ruhe im Karton, nicht, dass gute Arbeit gemacht wird“, spitzt der Architekt zu. So sieht er auch die Rolle seiner Nachfolgerin Claudia Perren, deren Arbeit er aber nicht bewerten will.

Angedrohte Störversuche von rechts

Die Ausladung der Punkband, die am 6. November für eine Aufzeichnung in der Reihe zdf@bauhaus vor nur 150 Hörern spielen sollte, hätte Oswalt ausdrücklich nicht verfügt. Eine Debatte im Magdeburger Landtag am Mittwoch erhellte zumindest teilweise die Umstände des Zustandekommens. Staatskanzleichef und Stiftungsratsvorsitzender Rainer Robra (CDU) verwies zunächst auf eine autonome Entscheidung der Stiftungsdirektorin. Auf Nachfrage musste er jedoch einräumen, dass Claudia Perren ihn zuvor konsultiert hatte. Der Stiftungsrat war nicht einbezogen worden. Deutlich wurde in der Debatte, aber auch durch ein Zeit-Interview der Direktorin, dass für die Absage des Veranstaltungsortes ausschließlich angedrohte Störversuche von rechts und nicht die streitbaren Texte von Feine Sahne Fischfilet ausschlaggebend waren.

Gerade auf die verbale Gewalt dieser „linksextremen Antifa-Combo“, so der CDU-Abgeordnete Detlef Gürth, bezogen sich aber neben der CDU vor allem AfD-Redner. In demagogischer Weise, die ihm auch Gürth vorhielt, versuchte beispielsweise Marcus Spiegelberg von der AfD-Radikalisierung abzulenken und der „linksextremen Hetzband“ und ihren Unterstützern die Schuld an gesellschaftlicher Verrohung zuzuschieben. Die Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen offenbarte Differenzen in der Bewertung der Konzertabsage. „Wo sind wir hingekommen?“, rief der SPD-Abgeordnete und frühere Innenminister Holger Hövelmann angesichts einer Entscheidung unter Druck von rechts. Der grüne Innenpolitiker Sebastian Striegel sprach von „Kontrollfantasien einzelner Politiker“.

Die bundesweite Debatte über den Fall macht ihnen Hoffnung

Beiden aber macht die bundesweite öffentliche Debatte über den Fall Hoffnung. Das aufgeschlossene Klima unter der jüngeren Generation demonstrierte ein Flashmob Dessauer Studenten am Dienstag. Wenig Hoffnung, vielmehr Irritation ist aber nun verbreitet über das im kommenden Jahr anstehende hundertjährige Bauhaus-Jubiläum zu spüren. Der Linke Stefan Gebhardt befürchtet eine reine Musealisierung, Philipp Oswalt nimmt das Bauhaus schon als „kulturell tot“ wahr, wenn keine Korrektur erfolge. Staatskanzleichef Rainer Robra will im Stiftungsrat nun eine „Standortbestimmung“ anregen. Der eingangs erwähnte offene Brief nimmt auch die aktuellen Bauhaus-Plakate beim Wort: „Das Bauhaus. Kein Stil, sondern eine Haltung.“

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1 Kommentar

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  • Zitat: „Das Bauhaus. Kein Stil, sondern eine Haltung.“

    Hm. Ob eine Institution tatsächlich eine Haltung haben kann? Ich habe da so meine Zweifel. Eine Stiftungsdirektorin allerdings kann eine Haltung haben, da bin ich ziemlich sicher. Eine gebückte Haltung beispielsweise. Eine wie die, die Claudia Perren gezeigt hat.

    Eine Frau, die offiziell eine „autonome Entscheidung“ hätte treffen dürfen, hat dann vorsichtshalber doch lieber noch einmal Rat beim Stiftungsratsvorsitzenden gesucht – und offensichtlich auch gefunden. Sieht aus, als könnten Frauen (und andere Menschen) nicht nur sexuelle Probleme haben mit männlichen Alphatieren.

    Womöglich wollte Claudia Perren ja nicht dieselben Fehler machen wie ihr Vorgänger. Sie wollte nicht twittern müssen: #MeToo. Philipp Oswalt hat sich ihrer Ansicht nach wohl keinen Gefallen getan mit seiner etwas aufrechteren Haltung. Und wie die Kohlekumpel, denen ihr Job wichtiger ist als das Klima oder der Hambacher Forst nebst seltener Arten, hat auch Claudia Perren entschieden: „Ich habe kein schlechtes Gewissen.“

    Schon klar. Geht auch ganz ohne. Geht ja auch ohne Stil.