Bauhaus in Berlin: Schlicht und ergreifend
Heute beginnt die Feier von 100 Jahren Bauhaus – auch in Berlin, wo das Bauhaus zu Ende ging. Aber ist Berlin eine Bauhaus-Stadt?
Weimar, Dessau, Berlin. – Berlin ist eine Bauhaus-Stadt, das ist keine Frage, denn die wichtigste Kunstschule der Moderne existierte bis zu ihrer von den Nazis erzwungenen Selbstauflösung am 10. August 1933 ein knappes Jahr auch in Berlin.
Heute beginnen die Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag von Bauhaus mit einem Eröffnungsfestival in der Akademie der Künste und im September wird es extra eine Bauhauswoche in Berlin geben. Berlin spielt also eine Rolle bei der Feier von Bauhaus, die ab sofort ein ganzes Jahr lang im ganzen Land begangen wird.
Wer allerdings genauer hin sieht, wird in dieser Stadt – zumindest in Sachen Architektur, die doch die Kerndisziplin dieser Schule war – ganz schön auf die Suche gehen müssen. Gut, es gibt sechs wunderschöne Siedlungen der Moderne, die 2008 Unesco-Welterbe wurden. Nur eine, die Siemensstadt, wurde 1929 bis 1931 mehrheitlich von Bauhaus-Architekten gebaut, unter ihnen Bauhaus-Gründer Walter Gropius.
Es gibt vier schlichte Wohnblöcke in der Afrikanischen Straße in Wedding, die 1926/27 nach Entwürfen des dritten und letzten Bauhaus-Direktors, Ludwig Mies van der Rohe, entstanden. In Zehlendorf lohnt sich ein Spaziergang, um eine Handvoll sehr früher oder sehr später Bauhäuser von Mies und Gropius zu umrunden.
„Im Bauhaus-Stil“
Auch eine Stadtführung zum Thema Nachwirkungen wäre denkbar, da müsste man im Osten etwa zum Funkhaus in der Nalepastraße, das von einem Bauhaus-Schüler gebaut wurde. Oder zum Hansaviertel im Westen, wo zahlreiche Architekten mit Bauhaus-Vergangenheit bauten. Auch könnte man ketzerisch einfach Häuser „im Bauhaus-Stil“ suchen – und wäre dann kaum mehr zu retten.
Zentrale Orte, wo man Bauhaus jenseits repräsentativer Feierlichkeiten und auf eigene Faust hautnah erkunden kann, sind dagegen derzeit wegen Umbaus geschlossen: Das Bauhaus-Archiv, das 1979 nach Plänen von Gropius errichtetet wurde und die weltweit umfangreichste Sammlung zur Geschichte des Bauhauses besitzt: Es wird erst 2022 wieder eröffnen. Und der spektakuläre Garagenpalast in der Kantstraße wird gerade vom Besitzer saniert. Die von Gropius’ und Mies’ Lehrer Peter Behrens 1909 entworfene AEG-Turbinenhalle in Moabit, die heute Siemens nutzt und an der man gut die Ursprünge von Bauhaus studieren könnte – ebenfalls eingerüstet.
Das Mies-van-der-Rohe-Haus in der Oberseestraße 60 ist Dienstag bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Am besten fährt man mit der M5 bis Haltestelle Oberseestraße; weitere Informationen unter www.miesvanderrohehaus.de.
Die Bundesschule Bernau befindet sich auf dem Hannes-Meyer-Campus in Bernau, am besten mit der S-Bahn nach Bernau und weiter mit dem Bus 894 bis Barnim-Gymnasium; Führungen buchbar unter www.bauhaus-denkmal-bernau.de.
Die Feierlichkeiten zu 100 Jahren Bauhaus beginnen heute, am 16. Januar, mit einem Eröffnungsfestival in der Akademie der Künste. Bis Ende des Jahres gibt es unzählige Veranstaltungen. Infos unter www.bauhaus100.de. (sm)
Hundert Jahre hin, hundert Jahre her: Im Grunde gibt es derzeit nur zwei, drei Orte in Berlin, wo man Bauhaus echt erleben kann, Gebäude also, die tatsächlich in der Bauhaus-Zeit gebaut wurden und Ideen des Bauhauses authentisch verkörpern, in denen man sich also wirklich anders fühlt als in den meisten anderen. Und einer dieser Orte befindet sich streng genommen vor den Toren Berlins.
Es ist die Bundesschule Bernau, die der zweite Bauhaus-Chef Hannes Meyer mit Hans Wittwer entwarf, im Auftrag des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes. 2017 wurde die Schule ebenfalls zum Unesco-Welterbe ernannt. Seit 2001 wird sie von der Handwerkskammer als Internat für ihr Bildungs- und Innovationszentrum genutzt, sie hat die Schule 2007 sanieren lassen.
Kuben im Kiefernwald
Leider ist die Anfahrt beschwerlich, die Schule liegt hinter den Stadtgrenzen Bernaus und verbirgt sich hinter einem hässlichen Gymnasium, das unübersehbar Anfang der 1990er gebaut wurde. Derzeit kommt man nur sonntags im Rahmen einer Führung rein, die ausschließlich online zu buchen ist. Wenn jedoch all diese Hürden genommen sind, ist das Glück groß.
Schon von außen überzeugt: Die Schule schmiegt sich in mehreren, nüchternen Kuben aus gelbem Backstein an die sie umgebende Natur, einen hübschen Kiefernwald auf sanften Hügeln, die zu einem kleinen See abfallen. Auch von drinnen geht der Blick immer wieder raus: Durch die großen Fenster der Schlafräume, die Glasfront der Turnhalle, die sich komplett öffnen ließ, den Wintergarten am spektakulären Speisesaal.
Hier ist alles sinnvoll und funktional, verbindet Natur und Mensch, nichts ist Pose oder Repräsentation. Man spürt eindrücklich, dass der in der Schweiz geborene Architekt Hannes Meyer – der später nach Moskau ging und fast Opfer der stalinistischen Säuberungen wurde –, bei seinem Amtsantritt in Dessau 1928 fand, Bauhaus habe seinen Anspruch, auch ärmeren Schichten zu dienen, verloren.
Ganz ähnlich fühlt man sich als weit gereister Besucher eines kleinen Landhauses am Obersee im Stadtteil Alt-Hohenschönhausen. Dieses Haus hat Mies van der Rohe 1932/33 für den Druckereibesitzer Karl Lemke gebaut – einen sparsamen Mann, den, wie man gleich erkennt, die Weltwirtschaftskrise nicht kalt gelassen haben muss. Das Haus ist so schlicht wie ergreifend: Ein L-förmiger, eingeschossiger Bau aus rotbunten Ziegeln.
Berlin passt zu Bauhaus
Die beiden Flügel mit wandgroßen Terrassenfenstern aus Stahl umarmen gleichsam die quadratische Terrasse. Wenn man in einem der drei Zimmer zum Garten sitzt, hat man auch an einem grauen Januarnachmittag das Gefühl, ein wunderbares Naturgemälde zu betrachten. Wita Noack, die das Haus seit 1992 als Ausstellungsraum betreibt, fasst eindrücklich zusammen, wie die meisten Besucher auf dieses bescheidene Haus reagieren: Sie fühlen sich einfach wohl.
Wer die Bundesschule in Bernau und das Mies-Haus erlebt hat, der gewinnt vielleicht eine andere Beziehung zur Bauhaus-Stadt Berlin, die eigentlich keine ist. Denn irgendwie passt Berlin auch zu Bauhaus. Man muss ein bisschen forschen. Man muss sich auch von Klischees verabschieden wie etwa dem, dass alles weiß und respektheischend scharfkantig sein muss, was Bauhaus ist.
Berlin, so hat es Christian Welzbauer im „Bauhaus Reisebuch“ beschrieben, mache Bauhaus „als das erkennbar, was es wohl am ehesten war: die in sich vielstimmige Stimme eines polyphonen, vielgestaltigen Aufbruchs in die Moderne“. Und dieser tolle, bis heute mitreißende Aufbruch ist so wenig auf einen Nenner zu bringen wie das stets unfertige, unperfekte Berlin.
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