Bauern, Baerbock, Brutalität: Einen Traktor müsste man haben
Unsere Autorin geht durch die Woche mit einem Bauern, einer Punk-Kuh und Gedanken zum 7. Oktober. Alles, was fehlt, ist ein großes grünes Gefährt.
N eulich war ich im Kuhstall mit Milchbauer Matze Everinghoff im schönen Emsland. Schon in den ersten fünf Minuten ist mir meine professionelle Distanz entglitten. Kühe sind einfach so hinreißend, dass einem das Wort „süüüüß“ rausrutscht, ohne dass man etwas dagegen tun kann. Der punkige Haarbüschel zwischen den Ohren, die Kulleraugen mit den langen Wimpern, die weiche Nase. Und als es dann auch noch zu den Kälbchen ging, da musste ich den Landwirt bitten, seinen kleinen Vortrag zu unterbrechen, weil ich ihm mittlerweile gar nicht mehr zuhören konnte.
Bauer Matze hat für solche Gefühlslagen vollstes Verständnis. Er hat mir deshalb seine Lieblingskuh Annie und ihre drei Schwestern vorgestellt.
Es hat also gedauert, bis wir schlussendlich bei dem Traktor ankamen, mit dem er immer blockieren geht, natürlich auch in dieser Woche. Wenn man neben den zwei Meter hohen Reifen steht, versteht man sofort, warum die Bauernproteste so wirkmächtig sind. Hätten die Pflegekräfte Traktoren, würden sie wahrscheinlich schon längst das Doppelte verdienen.
Jedenfalls hat Bauer Matze einen Satz gesagt, den ich mir gemerkt habe: „Wie kann man nur so doof sein, Kürzungen im Winter zu verkünden, wenn alle Landwirte Zeit haben?“ Eine Erklärung wäre vielleicht, dass die Mitglieder der Bundesregierung sich für Kühe halten, bei deren Anblick alle nur noch „süüüüß“ denken und sich nicht mehr auf Inhalte konzentrieren können. Oder sie sind tatsächlich ein klein wenig doof.
Eine weitere Möglichkeit wäre, dass Vizekanzler Robert Habeck nicht so viel von „Hühner, Schweine, Kühe melken“ versteht, wie Frenemy Annalena Baerbock im Wahlkampf einmal behauptet hat. Womöglich versteht er doch mehr von Dingen wie Völkerrecht als von Landwirtschaft und Jahreszeiten.
Baerbock jedenfalls hat keinen Traktor und deshalb bricht der Frieden nun doch nicht aus. Eigentlich wollte die Außenministerin in Dschibuti über die Sicherheit der Seewege im Roten Meer sprechen. Die Huthi-Rebellen im Jemen attackieren Handelsschiffe, die zu einem eingebildeten Bündnis mit Israel gehören. Baerbocks wichtige Mission scheiterte jedoch diese Woche daran, dass man vergessen hatte, für den Regierungsflieger eine Überfluggenehmigung für Eritrea zu besorgen. Mit einem Traktor wäre das nicht passiert.
Hätte ich einen Traktor, wäre ich diese Woche womöglich in einen neuen Imbiss südlich der jordanischen Hauptstadt Amman gefahren, hätte Annie und ihre Schwestern abgeladen und sie mit ein paar aufmunternden Sprüchen zum Verdauungsvorgang aufgefordert. Der Imbiss trägt den Namen „7. Oktober“, das Datum also, das für den schlimmsten Massenmord an Juden nach dem Holocaust steht.
Menschen wie UN-Generalsekretär António Guterres und andere Hamas-Versteher hätten natürlich grundsätzlich Zweifel, ob es sich bei „7. Oktober“ tatsächlich um eine niederträchtige Hass-Botschaft handelt. Könnte es nicht sein, dass mit dem 7. Oktober einfach nur irgendein Datum oder der Hochzeitstag des Eigentümers gemeint ist? Oder der Geburtstag von Wladimir Putin? Und angenommen, es handelt sich tatsächlich um eine Hass-Botschaft, sollte man sie dann nicht im Kontext sehen?
Nein, sollte man nicht. Wie wären wohl die Reaktionen, wenn in Berlin ein Restaurant mit dem Namen „Butscha 458“ eröffnet würde, nach dem Ort, wo nach dem Rückzug russischer Truppen 458 ukrainische Leichen gefunden wurden, 419 davon mit Folterspuren? Es geht nicht allein um die Zahl der Opfer, sondern immer auch um die Bestialität ihrer Ermordung.
Angesichts der vielen Krisen und Kriege wundert es nicht, dass sich immer mehr Menschen in Deutschland ins Private zurückziehen und sich nicht einmal mehr 40 Prozent regelmäßig über das Weltgeschehen informieren. Zumindest in dieser Hinsicht gab es diese Woche weitere Lichtblicke in Form von Anti-AfD-Demonstrationen. Eines hat mir bei diesen Protesten allerdings gefehlt: Traktoren!
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