Bauentwicklung rund um Berlin: Speckgürtel soll noch fetter werden
Wachstum, Wachstum, Wachstum. Das ist die Philosophie des Landesentwicklungsplans, der im Februar in Kraft treten soll. Vor allem im Umland bedeutet das, dass die Räume zwischen den S-Bahn-Achsen als Bauflächen ausgewiesen werden können.
Die Stärkung der Innenstadt zugunsten der Zersiedelung auf der grünen Wiese - das ist schon fast ein Mantra von Ingeborg Junge-Reyer (SPD). Tatsächlich aber arbeiten die Planer der Stadtentwicklungssenatorin derzeit am Gegenteil. Künftig sollen zahlreiche Schranken für die Bebauung der grünen Wiese in Berlin und im Umland entfallen. Selbst Kleingartenkolonien können in Siedlungsland umgewandelt werden. Dies sieht der Entwurf des Landesentwicklungsplans Berlin-Brandenburg (LEP BB) vor, den die Gemeinsame Landesplanung (GL) aus Berlin und Brandenburg vorgelegt hat.
Der Entwurf des LEP BB, der die bisherigen Planungen für den sogenannten "engeren Verflechtungsraum" und den "äußeren Entwicklungsraum" ablösen soll, macht gleich mit einer ganzen Reihe von Einschränkungen Schluss. So waren bislang Flächen für Wohnungsbau entlang der S-Bahn-Trassen nur in Bahnhofsnähe vorgesehen. Künftig dürfen Wohnparks auch in einer Entfernung von drei Kilometern zu den Bahnhöfen entstehen.
Doch das ist nur der Anfang. Die Bebauung mit Gewerbe soll künftig auf allen Flächen im Umland möglich sein, die nicht ausdrücklich als Grünflächen - zum Beispiel im Naturpark Barnim - geschützt sind. Bislang war die Bebauung dieser "sonstigen Freiflächen" nicht vorgesehen. Die Siedlungsentwicklung entlang der S-Bahn-Achsen könnte damit bald nur noch Wunschdenken sein. Vielmehr dürften, wie es im Planerjargon heißt, "zwischen den Fingern Schwimmhäute wachsen".
Der neue Landesentwicklungsplan war nötig geworden, nachdem Brandenburg im Jahr 2005 eine Kehrtwende in der Raumplanung vollzogen hat. Statt "dezentraler Konzentration", also der Stärkung vor allem berlinferner Städte wie Schwedt, Prenzlau oder Wittenberge, setzt Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) seitdem auf den Wachstumsmotor Berlin und seinen Speckgürtel.
Der Chef der Gemeinsamen Landesplanung, Gerhard Steintjes, verteidigte gegenüber der taz das Planwerk: "Wir wollen den Siedlungsstern Berlins, der sich in den 20er-Jahren herausgebildet hat, weiterentwickeln." Die Verdichtung entlang der S-Bahn-Achsen begründet er damit, dass "drei Kilometer eine gute Fahrradentfernung" seien. Vor allem aber ginge es darum, im Wohnungsneubau "keine zusätzlichen Streu- und Splittersiedlungen zuzulassen".
Dass die Neuansiedlung von Gewerbeparks die Grünkeile zwischen den Siedlungsachsen verdrängt, glaubt Steintjes nicht. "So viele gewerbliche Nachfrage gibt es nicht." Der oberste Planer Berlins und Brandenburgs räumt aber ein, dass die Ausweisung von Gewerbeflächen auf nicht geschützten Grünflächen möglich ist. "Auf der Ebene von Berlin und Brandenburg ist auch eine neue Gewerbefläche in Ludwigsfelde eine Innenentwicklung", so Steintjes in Anspielung auf das Mantra von Junge-Reyer.
Vor allem die Grünen kritisieren den Landesentwicklungsplan dagegen als Zeugnis neuer Wachstumsplanung. Damit werden die Freiräume zu einer "Sättigungsbeilage", ärgert sich die grüne Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm aus Brandenburg. Die Chefin der grünen Abgeordnetenhausfraktion in Berlin, Franziska Eichstädt-Bohlig, meint: "Das ist ein Raub an Landschaftsräumen." Neben den Grünen haben in der vergangenen Woche auch zahlreiche Umweltschutzverbände wie der Nabu und der BUND kritische Stellungnahmen abgegeben.
Während der Plan in Brandenburg bereits durch das Parlament gewunken wurde, haben die Berliner Grünen einen Aufschub erreicht. Nun soll der Stadtentwicklungsausschuss auf seiner Sitzung am 16. Februar beraten. Ein Veto gibt es allerdings nicht. GL-Chef Steintjes: "Die Planung ist eine Rechtsverordnung und kein Gesetz."
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