Batman-Film „The Dark Knight Rises“: Milliardär lebt prekär

Christopher Nolans „The Dark Knight Rises“ will ran an die virulenten Bilder der gegenwärtigen Krise. Dem Zeitgeist wurde aber etwas zu eifrig nachgeholfen.

Geplünderte Upper-West-Side-Luxuswohnungen fehlen nicht im Aufstandstableau. Bild: dpa

„I’m the Joker“ soll der Attentäter von Aurora in den Kinosaal gerufen haben, bevor er das Feuer eröffnete. Trotz dieser kolportierten Bezugnahme besteht auch einige Tage nach dem Ereignis immer noch wenig Grund, zwischen „The Dark Knight Rises“ und dem Massaker einen inneren Zusammenhang zu unterstellen – abgesehen von dem Kalkül des Täters, dass es bei einer Batman-Mitternachtspremiere in den USA weder unüblich noch auffällig ist, maskiert zu erscheinen.

Eine sinnlose Tat hat sich hier vermutlich einen kontingenten Rahmen gesucht. Nebenprodukt ist eine erwartbare Schieflage in der filmkritischen Berichterstattung, die reflexhaft die altbekannten Bahnen der „Gewalt im Film und/oder Videogame“-Debatte abschreitet oder in die Deutungsmuster der feuilletonistischen Großdebatte abgleitet. Taugt „The Dark Knight Rises“ zum Schlüsseltext über Gewaltneigungen und Verwerfungen in der Gesellschaft?

Regisseur Christopher Nolan wollte sich jedenfalls erkennbar nicht damit begnügen, seine Batman-Trilogie mit einem digitalästhetisch avancierten Blockbuster abzuschließen. Programmatisch hält „The Dark Knight Rises“ bereits in seiner Medienform Distanz zum derzeit durchgesetzten Spektakelbildformat 3-D. Nolan möchte das von PR-Armeen durchgeplante eventökonomische Blockbusterprinzip mit einer älteren Relevanzidee von Massenkultur versöhnen: dass sich in ihren Texten gesellschaftsweite Tendenzen und untergründige Stimmungslagen spezifisch zusammenbinden und chiffrieren sollen.

Um sicherzustellen, dass ja niemand übersieht, wie sehr der Zeitgeist in seinen Film eingefahren ist, hat der Autorenfilmer in Nolan allerdings etwas übereifrig nachgeholfen. „The Dark Knight Rises“ will nicht mit Gegenwart voll gesaugtes Symptombündel, sondern selbst Deuter, Analytiker sein.

Wer diesen Anspruch ernst nimmt, blickt auf eine konfuse Mitschrift. Offenkundig ist Nolan bereits früh aufgegangen, dass Batman als geldaristokratische Milliardärsfigur ein Legitimationsproblem bekommen könnte. Wer will heute schon einen moralisierenden Besserverdiener im Fledermausfummel sehen, der außerhalb seiner Nachtaktivitäten unzweideutig auf der Seite des „1 Prozents“ steht und von ererbtem Anlagevermögen lebt?

Schematisches Bürgerkriegsszenario

In Zeiten wie diesen scheint es deutlich opportuner, dem öffentlichkeitsscheuen Privatier einige Privilegien zu entziehen. Also gehen Schloss und Butler flöten, der misslaunige Superheld muss nun selbst die Tür öffnen und Witzeleien über fehlendes Hauspersonal über sich ergehen lassen.

Neben derartigen Prekariatserfahrungen konzentriert sich „The Dark Knight Rises“ auf ein kontemporär gehaltenes Gotham City und fantasiert ein schematisches Bürgerkriegsszenario herbei, in dem eine sturmreif geschossene Wall Street zur befreiten Bastille umgedeutet wird. Auch Tribunale und geplünderte Upper-West-Side-Luxuswohnungen fehlen nicht im Aufstandstableau.

Aus revolutionstheoretischer Sicht erweist sich neben der Stereotypisierung schnell als nachteilig, dass dies alles auf Geheiß eines volldebilen Bösewichts mit Hannibal-Lecter-Maske geschieht. Der Agitator dahinter heißt Bane (einen Joker gibt es in diesem Film nicht), für Umverteilungsprozesse interessiert er sich herzlich wenig. Aufs Umständlichste wird stattdessen eine Kerkertraumageschichte als Hassmotor rauf und runter erzählt.

Der inszenierte Klassenkonflikt ist da schon längst als austauschbare Randalekulisse markiert. Mühelos lässt sich der Volkszorn für ein postpolitisches Privatprojekt instrumentalisieren. Im Vordergrund ficht ein tumber Schurke kleinteilige Psychokriege aus, im Hintergrund irrt die verblendete Masse umher und spielt Occupy Manhattan als Persiflage auf die Französische Revolution.

Sehnsucht nach wiederhergestellter Polizeiordnung

Die wirren Wutbürger gehen zudem rasch dazu über, sich in protostalinistischen Schauprozessen selbst zu zerfleischen. Der zeitdiagnostisch am ehesten springende Punkt wird aber immerhin gestreift, wenn der Unmut über die bestehenden Verhältnisse recht schnell einer Sehnsucht nach wiederhergestellter Polizeiordnung weicht. Lieber die alte ungerechte als eine neue unaufgeräumte Gesellschaft. Zumal es im Ernstfall einen Superhelden braucht, um dem Chaos Einhalt zu gebieten.

„The Dark Knight Rises“ will ganz dringend ran an die virulenten Bilder, Gefühlslagen der Gegenwart, unterzieht sie aber einer stur tendenziösen Bearbeitung, die noch nicht mal als reaktionäre Provokation wirklich Sinn oder auch nur Spaß macht. Von den unfreiwillig komischen Dialogen, der Retro-Faustkampf-Action, Christian Bales Nussknackerkinn-Performance und Anne Hathaways braven Catwoman-Turnübungen ganz zu schweigen. 160 sehr lange Minuten braucht diese 250 Millionen Dollar teure Produktion, um eine ermüdend plakative Idee der Krisenhaftigkeit des gesellschaftlichen Zusammenhangs herauszufiltern. Um am Ende eine lächerlich aufgeblasene Anarchiewarnung in die Welt zu funken.

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