Barbara Oertel über Asyl für tschetschenische Homosexuelle: Asyl statt mahnender Worte
Beim Thema Menschenrechte ist auf die Kanzlerin Verlass. Doch es reicht nicht, die Unterdrückung von Homosexuellen bei Treffen mit Autokraten wie Präsident Wladimir Putin anzusprechen. Menschen mit, wie es offiziell heißt, nicht traditioneller sexueller Orientierung, sind in der gesamten Russischen Föderation eine der meistgehassten und -verfolgten Gruppen. Homosexuelle werden als abartig und krank angesehen, systematisch diskriminiert und manchmal umgebracht.
In der muslimisch geprägten Kaukasusrepublik Tschetschenien ist die Situation Schwuler noch bedrohlicher. Mit Ramsan Kadyrow herrscht dort ein Mann, der die Bevölkerung nach Belieben terrorisiert. Verschwinden lassen, willkürliche Inhaftierungen und Folter sind nur einige Begriffe, um die Lebenswirklichkeit vieler Menschen zu beschreiben.
Homosexuelle, die es laut Kadyrow in Tschetschenien eigentlich gar nicht gibt, werden in Geheimgefängnissen sexuell missbraucht und so auf eine besonders perfide Art gedemütigt. Vor diesem Hintergrund ist es umso skandalöser, wie mit Tschetschenen umgegangen wird, die in der Europäischen Union Zuflucht suchen. Häufig mit dem Etikett versehen, gefährliche Islamisten zu sein, schiebt Polen sie gnadenlos wieder nach Weißrussland ab.
In Deutschland werden tschetschenische Asylsuchende mit der Begründung zurückgewiesen, es gebe in Russland ja eine innerstaatliche Fluchtalternative. Wie die aussieht, wissen die als „Schwarzärsche“ titulierten Kaukasier, auf die in russischen Städten Jagd gemacht wird, nur zu genau.
Deshalb sollte die EU, so sie denn ihre eigenen Standards noch ernst nimmt, genau hinschauen, wenn es um das Schutzbedürfnis tschetschenischer Flüchtlinge geht. Verfolgte Minderheiten haben Anspruch auf Asyl. Alles andere ist zynisch. Daran ändern auch mahnende Worte Merkels in Sotschi und Solidaritätskundgebungen mit tschetschenischen Homos in westlichen Hauptstädten nichts.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen