Bandporträt "The Doors": Erstaunlich wenig gestrig
Im Gegensatz zu Oliver Stones Kitschwerk von 1991 hat die Dokumentation "The Doors - When Youre Strange" von Tom DiCillo den Segen der ehemaligen Doors-Mitglieder.
Erstaunlich, dass es bislang noch keine Filmdoku über die Doors gegeben hat. Gut, da war Oliver Stone, der 1991 sein verkitschtes Machwerk ablieferte, diesen Spielfilm, der die noch lebenden Bandmitglieder damals sehr gewurmt hat. "Oliver Stone hat einen Film über Oliver Stone in Lederhosen gemacht", beschwerte sich der Keyboarder Ray Manzarek damals. Jetzt aber, 39 Jahre nach dem frühen Tod des Sängers, kommt Tom DiCillo mit seiner Footage-Collage "When You're Strange" - und holt sich prompt den Segen der Ex-Doors ab: Bandgeschichte, -philosophie, -spiritualität und das Gefühl der sechziger Jahre, alles sei korrekt abgebildet in diesem Porträtfilm, lobte Manzarek jüngst.
Und liegt nicht grob daneben. Material in Unmengen hat DiCillo gesammelt und in zackig zeitgemäßem Tempo zusammengeschnitten, Bilder ausschließlich aus den 54 Monaten, in denen die Doors als Band existierten. Auf "talking heads" - Interviews mit Zeitgenossen, die Rückschau betreiben - hat er verzichtet, lieber lässt er Johnny Depp aus dem Off kommentieren. Was dem Film gut tut, entschlackt Depps nüchterne Erzählerstimme doch die etwas dick auftragende Begeisterung, mit der DiCillo an einigen Stellen getextet hat.
Okay auch, wie der Film durch Archiv-Snippets die Band in ihrer Phänomenologie an ihren geschichtlichen Kontext zurückzubinden versucht. Vietnam-Krieg, Civil Rights Movement und der Schuss auf Kennedy scheinen so in einem oft leider nur assoziativ bleibenden Zusammenhang zu stehen mit Robby Kriegers Bottleneck-Spiel und Manzareks karnevaleskem Georgel.
Ansonsten wird die Entwicklung der Band angemessen, aber an keiner Stelle überraschend aufbereitet, das Hauptaugenmerk liegt naturgemäß auf Morrison und seiner rasanten Entwicklung vom mit dem Rücken zum Publikum singenden Anfänger zum genauso brillanten wie brillant seine Wirkung kalkulierenden Bühnenexzentriker. Einigermaßen erstaunlich ist dabei, wie wenig von gestern dieser Morrison beim Zusehen wirkt, wie gültig seine Inkarnation des Rock-'n'-Roll-Stars auch heute noch ist.
Mit der Morrison'schen Mischung aus Empfindsamkeit, Trotz, Schlagfertigkeit, Überheblichkeit, Drogensucht und bewusst inszenierter Sexyness würde man auch heute noch sehr weit kommen. Da hat sich die Popkultur in Sachen männlicher Subjektivitätsformate in vierzig Jahren nicht viel Neues einfallen lassen.
Richtiggehend störend sind an dem Film zwei Dinge. Zum einen, wie DiCillo in Altherrenmanier alles auf eine These hinauslaufen lässt, nämlich: Mit Morrisons Tod war die Ära der Jugendbewegungen ein für alle Mal vorbei. Was viel zu kurz greift und nur aus der Perspektive des enttäuschten Fans Sinn ergibt. Zum anderen nerven die ständig eingeschnittenen Szenen von Morrison auf einer psychedelischen Autofahrt durch die Wüste. Schreikrämpfe am Steuer, auf Ex gekippte Bierdosen, verstrahltes Gehangel an Felskanten - an dokumentarischer Erkenntnis bringt das nichts, DiCillo missbraucht hier den Umstand, dass er das "Go!" zur Verwurstung des Morrison'schen Filmfragments "HWY: An American Pastoral" von 1969 bekommen hat. Der Rückschluss, den er so von einem Filmcharakter auf die Person Morrison nahelegt, ist schlichtweg ungehörig. Und hat derart unkommentiert in einer Banddoku nichts zu suchen.
"The Doors - When You're Strange". Regie Tom DiCillo. USA 2010, 86 Min.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs