Bahnspitzelei-Vorwürfe: Mehdorn grantelt zurück
Der Bahn-Chef wehrt sich gegen Spitzelvorwürfe. Gesetze seien eingehalten worden, 30 Millionen Euro habe sich die Bahn von bestechlichen Kollegen zurückgeholt.
Bahn-Chef Hartmut Mehdorn war sichtlich sauer, als er am Freitag in Berlin vor Journalisten Stellung zur Überwachungsaffäre im Konzern nahm. "Wir haben unsere Mitarbeiter nicht bespitzelt", klagte der Manager über die Berichterstattung der Medien. "Böswillig" sei der Vorwurf, das Unternehmen habe rund 173.000 Beschäftigte per Rasterfahndung durchleuchtet. Alle Gesetze seien eingehalten und auch nichts verborgen worden.
Von den Details der Überprüfung Anfang des Jahrzehnts wusste die Chefetage nach eigener Aussage nichts. Die Einzelheiten im Kampf gegen die Korruption im Haus wurden als Bagatellen angesehen. "Der Vorstand kümmert sich auch nicht um die Bestellung von Briefmarken", so Mehdorn. In der Sache bleibt Mehdorn hart. Der Kampf gegen Korruption gehe vor, und der Erfolg dabei diene dem Steuerzahler.
30 Millionen Euro habe sich der Konzern von bestechlichen Angestellten zurückgeholt, fast 150 Fälle konnten bei der Staatsanwaltschaft angezeigt werden. Inzwischen sei das Problem auf das normale Maß in großen Unternehmen geschrumpft. Dabei hält der Vorstand das Durchleuchten tausender Beschäftigter für ein normales Verfahren zur Gefahrenabwehr.
Die Bahn hatte die Daten von 173.000 Beschäftigten mit denen von Lieferanten abgeglichen. Diese Vorsorge wird laut Bahn von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften oder den Vereinten Nationen empfohlen. Einen Fehler räumt der Bahn-Chef nun aber ein. "Wir würden das jetzt stärker öffentlich machen", sagte Mehdorn.
Der Konzern hat inzwischen die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Die Ermittler sollen den Vorwurf klären, das Unternehmen habe gegen Datenschutzbestimmungen verstoßen. Damit will der Vorstand den Druck aus der aktuellen Entwicklung weichen lassen. Denn mittlerweile wächst auch die Kritik in der großen Koalition. Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) fordert eine lückenlose Aufklärung der Affäre und die Bundesregierung sieht durch die Massenkontrolle das Vertrauen der Beschäftigten in die Spitze gefährdet.
Scharfe Kritik kam aus den Reihen der Opposition. "Die Einschaltung der Staatsanwaltschaft ist eine reine Nebelkerze", so der FDP-Verkehrsexperte Horst Friedrich. Es gehe nicht um Straftatbestände, sondern um Verstöße gegen das Datenschutzrecht.
Der Grünen-Verkehrsexperte Winfried Hermann warf Mehdorn mangelndes Unrechtsbewusstsein vor. "Es ist eben nicht internationaler Standard, zur Korruptionsbekämpfung gleich das gesamte Personal zu verdächtigen." Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit sei verletzt, wenn einfache Bahnmitarbeiterinnen und Bahnmitarbeiter der Korruption verdächtigt werden, obwohl sie mit der Auftragsvergabe nichts zu tun haben. "So wird der Verdacht genährt, den berechtigten Kampf gegen Korruption zu anderen Zwecken zu missbrauchen."
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