Kommentar Bahn-Bespitzelung: Mehdorns durchsichtiges Manöver

Deutsche-Bahn-Chef Mehdorn hat erst jetzt die Bespitzelungsaffäre an seinen Mitarbeitern publik gemacht. Grund: Seine Börsenfixiertheit.

Der Chef der bundeseigenen Deutschen Bahn AG, Hartmut Mehdorn, geht scheinbar in die Offensive. Um die Affäre wegen der heimlichen Überprüfung von 173.000 Bahn-Beschäftigten, also von etwa drei Vierteln der Belegschaft, aufzuklären, holt sich Mehdorn jetzt den Staatsanwalt ins Haus.

Das Manöver ist durchsichtig: Künftig könnten leitende Mitarbeiter Aussagen mit dem Hinweis auf laufende Ermittlungen verweigern. Doch die Angelegenheit ist nicht aus der Welt - selbst wenn die Staatsanwaltschaft zu dem Ergebnis kommen sollte, dass sich strafrechtlich niemand etwas hat zuschulden kommen lassen. Datenschutzrechtlich, personalpolitisch und moralisch bliebe die Rasterfahndung ein Skandal - auch wenn die Chefetage nichts davon gewusst haben will.

Deshalb gehen nun auch Politiker der großen Koalition, die Mehdorn über Jahre die Treue hielten, langsam auf Distanz. Zu deutlich ist, wohin Mehdorns Börsenfixiertheit die Bahn getrieben hat. Um die Bilanzen zu schönen, wurde auf Verschleiß gefahren; bei auftauchenden Problemen ließen Transparenz und Offenheit zu wünschen übrig. Zur Erinnerung: Im vergangenen Sommer brach in Köln eine ICE-Radsatzwelle. Dass es sich dabei nicht um einen Einzelfall, sondern um ein prinzipielles Problem handelte, gab die Bahn erst im Herbst zu - nach der Absage des Börsengangs, der ein Opfer der Finanzkrise wurde. Und den jetzt eingeräumten Massendatenabgleich hätte die Bahn schon im Sommer publik machen müssen - als die Bespitzelungsaffären bei Telekom und Lidl in aller Munde waren.

Allerdings dürfte Mehdorn, der einen Vertrag bis 2011 hat, vermutlich auch diese Affäre aussitzen. Wenige Monate vor der Bundestagswahl wird es sich die große Koalition nicht erlauben, ihren Mann bei der Bahn auszutauschen. Dies käme einem Offenbarungseid gleich. Nach der Wahl werden die Karten neu gemischt. Das Unternehmen jedenfalls hat einen Chef verdient, der keine Börsen-, sondern Bahnpolitik macht - und so viel Verkehr wie möglich auf die Schiene holt.

RICHARD ROTHER

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Geboren 1969 in Ost-Berlin. Studium an der FU Berlin. Bei der taz seit 1999, zunächst im Berliner Lokalteil. Schwerpunkte sind Verkehrs- und Unternehmenspolitik.

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