piwik no script img

Bahnprojekt in Stuttgart"S21"-Gegner wollen Politiker ärgern

Die Protestbewegung gegen Stuttgart 21 will weiter auf die Straße gehen, aber keine Autofahrer mehr ärgern. Denn die Demos halten sie auch nach der Volksabstimmung für legitim.

Kretschmann in der Spätzlespresse – so sehen das die S21-Gegner. Bild: dapd

STUTGART taz | Noch vor einer Woche waren Gegner des Bahnprojekts "Stuttgart 21" (S 21) zur Montagsdemonstration gegangen mit dem Gedanken, dass dies ihre vorerst letzte sein könnte. Doch die Proteste gegen den geplanten Tiefbahnhof sollen trotz der Volksabstimmung weitergehen, wenn auch in veränderter Form. Dies ist ein zentrales Ergebnis des "großen Ratschlags", zu dem das Aktionsbündnis am Sonntag alle Aktivisten eingeladen hatte.

Nach der Volksabstimmung zugunsten von Stuttgart 21 gab es offenbar viel Diskussionsbedarf. Über 700 Gegner von S21 waren der Einladung ins Stuttgarter Rathaus gefolgt und diskutierten dort sechs Stunden lang. "Das große Thema war natürlich die Montagsdemo, die Frage nach dem Ob und dem Wie", sagte der Sprecher der Parkschützer, Matthias von Herrmann. "Die einhellige Meinung war, dass die Montagsdemos fortgesetzt werden sollen."

Doch ein einfaches "Weiter so!" soll es nicht geben. Künftig soll die Kundgebung am Südflügel des Bahnhofs stattfinden und nicht mehr auf der Straße vorm Bahnhof. Denn die Demonstranten wollen keine Autofahrer mehr verärgern. Diese waren oft genervt von der wöchentlichen Straßenblockade und den Staus.

In der Protestbewegung sind viele überzeugt, dass auch solche Stimmungen das Ergebnis der Volksabstimmung stark beeinflusst haben. Die Befürworter von Stuttgart 21 hatten vor der Volksabstimmung mit dem Slogan geworben: "Weiterärgern oder fertig bauen?" Nun sagt von Herrmann: "Wir wollen die Politiker ärgern und nicht die Bevölkerung."

Künftig soll es für jede Montagsdemo auch ein konkretes Thema geben. Ein zentraler Aspekt soll zunächst der Kostendeckel von 4,5 Milliarden Euro sein. Die S-21-Gegner sind überzeugt, dass die Kosten diese Grenze bereits erreicht haben. Bisher weigern sich alle Projektpartner, darüber hinaus gehende Kosten zu tragen.

Dass ihre Proteste auch weiterhin legitim sind, steht für die Protestbewegung außer Frage. "Wir haben 42 Prozent der Baden-Württemberger hinter uns", sagte von Herrmann. "Das sollten wir uns nicht klein reden lassen. Und die Kritik am Projekt gilt weiterhin." Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte am Wochenende hingegen gesagt, dass er weitere Demonstrationen "nicht für zielführend" halte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
  • F
    Friedericke

    Endlich bekommen wir Geld nach BW zurück. Lange genug haben wir für die "anderen" bezahlt. Wann endlich wacht ihr auf? Das Ruhrgebiet z.B. hat über Jahrzehnte an die Bayern (Infrastruktur u.ä.) bezahlt und ist nach Ende des Bergbaues und Stahlindustrie (Produzierend) das neue Armenhaus. Wie blöd seid ihr und lasst euch immer noch mehr für dumm verkaufen. Wer es bis jetzt noch nicht kapiert hat tut sich schwer es in Zukunft zu verstehen dass wir eine neue Denkweise und Marktstruktur brauchen und uns nicht von verbrecherischen Politikern und Geldhaien weiter kneblen zu lassen. Wir lassen uns alles zerstören von Leuten die sich anmassen die Macht zu besitzen und skrupellos bestechen und sich bestechen lassen. Wann fangen wir an ein menschenwürdiges Dasein zu führen?

  • SM
    Sabine M.

    Keine Frage dass die Gegner sooft und so lange demonstrieren dürfen wie sie wollen. Das ist auch gut so. Keine Frage aber auch dass der Bürgerentscheid ergeben hat dass der Bahnhof tiefer gelegt werden soll. Für mich hat die Bahn damit eigentlich nur einen erfolgreichen Coup gelandet. Wer sich allein mit der Geologie näher beschäftigt hat ahnt schon dass die vorgelegte Rechnung niemals aufgehen wird. Wenn das Projekt halb durch ist, ist das Geld weg und Grube wird sagen "Das war nicht vorhersehbar, und wenn ihr einen fertigen Bahnhof wollt müsst ihr halt nochmal 10 Milliarden drauf legen", sich einen Grinsen, sich rumdrehen und gehen.

    Und dann geht's ans zahlen. Ob man den Bahnhof dann noch will, je gewollt hat oder nicht, spielt keine Rolle mehr. *langenasemach*

  • K
    K21er

    Die Gegner hatten - so ist das eben, wenn die "Basisdemokratie" nicht eingeübt ist, wie in der Schweiz - längst nicht die Mittel, Medien und Gelder zur Verfügung wie der Clan der Tunnelbauer und Immobilienverkäufer!

    Die lange Liste der Mängel und Sondererlaubnisse trotz massenhafter fachlicher Bedenken kam nicht wirklich an die Öffentlichkeit. Und schon gar nicht während Schlichtung und Stresstest. Beispiele: Kopfbahnhof fertigt heute schon mehr Züge in Stoßzeiten ab als S21 es jemals leisten wird. Wird er modernisiert, wie für K21 vorgeschlagen, wird es sogar das Doppelte. Dünnere Tunnelwände, engere Röhren durch Gipskeuper zu bohren, damit die Kostenrechnung stimmt > Trickserei auf Kosten der Sicherheit. Ab Mitte 2012 zu bohren beginnen, obwohl es fürs Flughafengelände keinerlei genehmigte Planung gibt: es wird schon irgendwann werden.

    Und die Kosten, die Kosten!! Unsere Regierung glaubt, sich an 4,5 Mrd € klammern zu können und dann auszusteigen. HAHA.

    Der Grube wird's euch schon zeigen - schließlich hängt der Standort Deutschland von diesem Bahnhof ab (Merkel). Mir wird schlecht vor so viel Einfalt. Bürger, bleibt oben und wehrt euch weiter!

  • B
    Bangster

    42% der Baden-Württemberger stehen hinter Herrmann, wenn man nicht rechnen kann. Denn faktisch sind es nur ca. 19% der BWler wenn mann die Wahlbeteiligung betrachtet. Mann muss schon auf beiden Augen blind sen (wollen), um nicht zu sehen dass 81% entweder für das Projekt gestimmt haben oder nicht zur Wahl gingen. Soviel zur "intellektuellen" Speerspitze der Bewegung ... ;)

  • E
    @emil

    Der Versuch den Bau eines in einer Volksabstimmung beschlossene Bahnhofs mit allen Mitteln zu verhindern und Widerstand gegen die NSDAP sind das Gleiche? Noch was? Da kann man also die Demokratie aussetzen? Weil Demokratie bringt NSDAP, wenn sie nicht das bringt was du willst? Einfach mal das Grundgesetz lesen. Da stehen Dinge drin die man zu beachten hat. Grundlage sind Rechte von Menschen die man nicht mit den Füßen treten darf. Bestimmt wird der Alltag und dazu gehört tatsächklich auch der bau von bahnhöfen, von Volk demokratisch. Wer das zu verhindern versucht, das bist dann du, gegen den ist Widerstand in jeder Form erlaubt wenn andere Mittel nicht zur Verfügung stehen(http://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_20.html.) Wenn schon NSDAP-Vergleiche, dann bist du und die S21-Weiterrandalierer die NSDAP. Dagegen gilt es dann als wehrhafte Demokratie vorzugehen. So wie es der demokratische Widerstand hätte gegen die NSDAP machen sollen.

  • D
    Daniel

    1. Protest bzw. Demonstrationen sind legitim, das können die Gegner noch die nächten 10 Jahre machen, wenn sie sonst nichts zutun haben.

    Illegale Blockadeaktionen, wie sie die sog. Parkschützer planen und durchführen, jedoch sind nicht legitim.

    Besonders dann nicht, wenn nachgewiesen wurde, dass die Mehrheit in BW will, dass endlich gebaut wird.

    2. 42% der Baden-Württemberger hinter von Herrmann und seinen radikalen Schergen? Bitte? Gerade mal 19% der Wahlberechtigten haben für den Ausstieg gestimmt, 25% explizit dagegen. Die restlichen Baden-Württemberger haben NICHT für den Ausstieg gestimmt.

  • E
    emil

    @holger

     

    antidemokraten? werfen sie mal einen blick in die geschichtsbücher. sie mögen sich erinnern, dass die nsdap völlig demokratisch vom volk gewählt worden ist.

     

    ihrer logik folgend wäre ein protest dagegen ebenso antidemokratisch.

     

    der punkt ist doch, nur weil unser system etwas legitimiert, sollten wir, nein wir dürfen nicht aufhören die folgen zu hinterfragen!

     

    das gebietet nicht nur die geschichte, sondern auch ein gesunder verstand, basierend auf einer gewissen mündigkeit.

    wenn sie eben diese abgelegt haben, hinterfragen sie aber bitte auch nicht die gegenseite, die nicht bereit ist, alles hinzunehmen.

  • S
    s-westler

    wieso sollte ein weitergehender prostest an diesem Projekt nicht "legitim" sein. genau dieses argument wurde von Anfang an vorgehalten...und wie wir alle wissen hat allein der stetige und unbequeme, aber doch zumeist friedliche prostest dazu geführt, dass wenigstens ein Mindestmaß an transparenz in dieses Projekt kam, auch wenn nach wie vor Informationen verschleiert, zurückgehalten oder verdreht werden.

     

    und gerade jetzt, während der anstehenden bauzeit und den noch ausstehenden verfahren (es ist ja noch nicht mal alles sicher, z.b. Planfeststellung fildertunnel, Flughafenbahnhof usw.) ist es bitter nötig nicht in den alten schwäbischen "die werdet scho wisse was die do machet"- Trott zurückzufallen! das schlimmste was diesem Projekt jetzt passieren kann, ist eine Bevölkerung, die wegschaut.

     

    deswegen konstruktiv weitermachen, informieren, demonstrieren, unbequeme fragen an alle stellen, die mir s21 zu tun haben...und: wachsam sein!! Demokratie leben heißt, sich einmischen, aktiv bleiben und nicht wegzusehen!

  • S
    Stefan

    Klar ist das Recht auf Demonstration grundgesetzlich verankert. Das ist gut so. Aber daraus das Recht abzuleiten, eine demokratische Mehrheitsentscheidung anzuzweifeln ... zweifelhaft!

    Das passiert, wenn man sich moralisch überlegen fühlt und sich selbst der Demokratie überlegen fühlt.

  • M
    Martin

    Ich möchte nur bemerken, dass die Abstimmung sich auf ein Projekt bezog welches 4.500.000.000 Euto kostet. Ich sehe nicht wieso plötzlich die Bahn der Meinung sein kann, dass dieses Projekt Kostenm ohne Ende verursachen darf.

  • K
    konrath

    ZITAT Holger Schmidt: "Aber um sich vom normalen und anständigen Bürger finanzieren zu lassen, sind sich diese Berufsdemonstranten nicht zu schade."

     

    Dazu drei Fragen:

    - Wer ist dieser "normale und anständige Bürger"?

    - Inwiefern lassen sich die Demonstrierenden von diesem finanzieren?

    - Warum sind Menschen, die für ihre Meinung auf die Straße gehen, Anti-Demokraten?

  • R
    reblek

    "Denn die Demos halten sie auch nach der Volksabstimmung für legitim." Faulpelz hat Recht: Warum sollten die Demos "nicht legitim" sein? Wie kommt jemand, die für die taz, schreibt, auf eine so absurde Fragestellung?

  • F
    Faulpelz

    Wieso sollte denn der Protest nicht legitim sein? Es gibt ein grundgesetzlich verbrieftes Demonstrationsrecht. Ob der Protest nützlich ist, ist eine ganz andere Frage, und das hat wohl Kretschmann gemeint.

     

    Jetzt gilt es, die Kostendeckelung, die von allen beteiligten Parteien anerkannt wurde, gegen neue Forderungen der Bahn durchzusetzen, die Bahnchef Grube schon angekündigt hat. Selbst viele Projektbefürworter dürften nicht bereit sein, immer weiter ausufernde Kosten aus Steuermitteln zu tragen.

  • M
    Mat

    Hmmm...die Gegner haben doch alles bekommen was sie wollten. Schlichtungsgespräche, neue Landesregierung, Volksabstimmung,...alle in Baden-Würrtenberg haben die Wahlwerbung von den Gegner und Befürworter zur Volksabstimmung in den Briefkasten bekommen. Es gab Plakate usw. Jeder war Informiert. Warum jetzt nochmal von vorne den ganzen Stress. Soll solange Volksabstimmungen stattfinden bis das Ergebnis stimmt? :/

  • HS
    Holger Schmidt

    Aber um sich vom normalen und anständigen Bürger finanzieren zu lassen, sind sich diese Berufsdemonstranten nicht zu schade.

     

    Wieso berichtet die TAZ noch über diese Anti-Demokraten?