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Bahnfahrten statt KurzstreckenflügeEs wäre nicht so schwierig

Gastkommentar von Werner Reh

Die Bundesregierung hat bei der Regulierung des Flugverkehrs versagt. Klimaschützende Ziele wären hier leicht zu erreichen.

Die Richtung ist klar: Mehr Bahnhof, weniger Flughafen Foto: Kay nietfeld/dpa

D ie Union, SPD und FDP haben Annalena Baerbocks (Grüne) Forderung, Kurzstreckenflüge „perspektivisch“ einzustellen, reflexartig abgelehnt. Das gibt zu denken: Der Luftverkehr soll auch weiterhin zu 6 Prozent der globalen Erwärmung beitragen, egal wie kurz oder unsinnig die Flugstrecke auch sein mag.

Dabei ist die Verlagerung von Ultrakurzstreckenflügen bis 650 Kilometer auf die Schiene eine sehr leicht zu pflückende Klimaschutzfrucht. 2,6 Millionen Tonnen CO2 wurden allein 2019 in die Luft gepustet. 1,6 Millionen Tonnen davon könnten sofort eingespart werden, weil die Flugziele in weniger als vier Stunden per ICE erreichbar sind. Dafür muss nur das vorhandene Express-Rail-System ausgeweitet werden.

Vergleicht man die realen volkswirtschaftlichen Kosten, sind Bahnfahrten billiger als Kurzstreckenflüge. Seit 2020 wirkt die auf 13 Euro erhöhte Luftverkehrssteuer wie eine innerdeutsche Kerosinsteuer. Das Klimaschutzpaket fordert das Verbot von Dumpingpreisen, doch das scheint vielen Parteien nicht bekannt zu sein. Beim EU-Emissionshandel, in den der Luftverkehr seit dem Jahr 2012 einbezogen ist, sorgte die Bundesregierung durch hohe Anteile kostenloser Vergabe und der Verrechnung mit der Luftverkehrssteuer selbst dafür, dass er klimaunwirksam ist.

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Das CORSIA-Programm der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation verramscht derzeit Zertifikate für eine Tonne CO2 für zwei Euro. Das ist Greenwashing in Reinform. Und auch die 9 Rettungsmilliarden für die Lufthansa wurden nicht an den Schutz des Klimas gebunden.

Werner Reh

ist 68 Jahre alt und Sprecher des Arbeitskreises Verkehr im BUND, bei dem der promovierte Politikwissenschaftler von 2005 bis 2018 auch hauptamtlicher Verkehrsreferent war. Luftverkehr ist einer seiner Arbeits­schwerpunkte.

Die Bundesregierung sollte endlich ihren Widerstand gegen die von Frankreich, skandinavischen und Beneluxländern geforderten bilateralen Kerosinsteuern aufgeben oder alternativ die deutsche Luftverkehrssteuer, stärker nach ihrer Klimawirkung gestaffelt internationalisieren. Dass sie das nicht längst getan hat, ist unverantwortlich, denn Deutschland ist der größte CO2-Emittent in der EU – sowohl bei innereuropäischen als auch bei interkontinentalen Flügen.

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7 Kommentare

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  • Wer einmal im Jahr von München nach Berlin muss, der kann auch die Bahn nehmen, keine Frage.



    Ich muss regelmässig nach Berlin, Arbeitsbeginn 9.00 Uhr. Mit dem Frühflieger bin ich pünktlich da, mit der Bahn opfere ich dann jeden dritten Sonntagnachmittag - MEIN Wochenende. Weil ich es eben mit der Bahn nicht bis 9 von MUC nach Berlin schaffe. Und solange das so ist, fliege ich.

    • @Sandra Becker:

      Strukturell könnte mensch an verschiedenen/mehreren Punkten ansetzen um ökologischeres Verhalten zu fördern:



      # Absenkung der Arbeitszeit - um mehr Reisezeit zu haben



      # Arbeitgeber/Staat bezuschusst Bahntickets - noch besser:



      fahrscheinloser Bahn+ÖPNverkehr



      # Absenkung von Mieten - um näher an Arbeitsstätte ziehen uns Pendelaufwand reduzieren zu können



      # massive Anhebung des CO2-Preises bei gleichzeitiger starker Anhebung von Niedrigeinkommen, so dass - wenn erwerbstätig - Arbeitszeit reduziert werden kann oder Kontingentierung von CO2-intensiven Waren und Dienstleistungen, dessen Angebot entsprechend massiv reduziert werden müsste



      ...

  • Von den 165 Millionen Tonnen CO2 die der Verkehr emittiert (bei etwa 800 Millionen Tonnen insgesamt) fallen 2 Millionen Tonnen auf den Flugverkehr.



    www.mdr.de/wissen/...missionen-100.html



    Der Kurzstreckenfluganteil ist noch mal ein Bruchteil davon.

    Maßnahmen gg. Kurzstreckenflüge streuen Sand in die Augen. Sie zeugen von der Angst, den Individualverkehr maßgeblich einzuschränken.

  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    Kurzstreckenflüge sind doch nur ein Nebenkriegsschauplatz bei der Debatte.

    Da hätten sich die Grünen nicht reinziehen lassen sollen.

  • Diese Regierung will nicht. Dass sollte uns einfach klar sein.

    Damit steigt meine Bewunderung für die Leute von Ende Gelände, Am Boden Bleiben, FfF, XR usw.

    Gleichzeitig meine Verachtung für solche wie Reul, die alles tun, dieses berechtigte und mit Verzweiflung vorgebrachtes Anliegen zu kriminalisieren. Möge die Geschichte schlecht über Euch schreiben.

    Noch besser: möget Ihr noch zu Lebzeiten vor Gericht kommen, weil Ihr gewusst und nicht getan habt.

  • Jetzt wird als nächstes in diversen Studien behauptet, an den klimaschädlichen Folgen des Fliegens sei weniger das CO2 als statt dessen die Kondensstreifen schuld. Was jeglicher fachlicher Logik entbehrt, denn ein Kondensstreifen (von dem man gar nicht so ganz genau weiss ob er heizt oder vielleicht kühlt) ist am nächsten Tag weg, während das beim Flug ausgestoßene CO2 für die nächsten paar hunderttausend Jahr (mindestens) in der Atmosphäre bleibt und, fein verteilt, zum Treibhauseffekt beiträgt.

    Ebenso die seltsame Diskussion über Biosprit. Die hatten wir doch schon bei Autos? Und was war das Ergebnis?

    Was kommt da als nächstes? Vielleicht kalte Kernfusion??

    Anscheinend ist da die momentane Strategie der Flugzeugindustrie, durch Halbwahrheiten und Unsinn Verwirrung zu schaffen. Denn die Lage ist ganz klar - wenn wir die Erwärmung begrenzen wollen, geht Fliegen in Zukunft nur noch in ausgesprochenen Notfällen. Jedenfalls so lange es keine komplett CO2-freie Technik gibt, die heute jedenfalls nicht existiert.

    Der Klimawandel ist ja schon eine Herausforderung, und schafft schwierig lösbare Probleme (und damit auch sehr interessante Aufgaben!). Aber dadurch, dass zu offensichtlichen Scheinlösungen gegriffen wird, machen wir es uns ja nicht einfacher.

    • @jox:

      Tja, es gibt nur ein Problem: Was geht, entscheiden nicht sie oder ich, sondern die Mehrheit der Bürger bei Wahlen.

      Im Endeffekt, wenn es bei der aktuellen Stimmung bleibt was nicht unwahrscheinlich ist, müsste man schon die Demokratie weltweit abschaffen bevor Flugreisen verboten werden.



      Selbiges gilt für andere Scheinlösungen wie Deindustralisierung, Fleischverbot und Begrenzung des Bevölkerungswachstums.