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Bahnausbau in NorddeutschlandNeue, alte Sorgen um Heide-Trasse

Die Pläne für den Bahnausbau zwischen Hannover, Bremen und Hamburg sorgen erneut für Unruhe. Drückt die Bahn einen Neubau durch?

Die Bahnpläne durchkreuzen Straßen und stoßen vielerorts auf Widerstand Foto: Philipp Schulze/dpa

Hannover taz | Am Donnerstag wird es in Hannover so weit sein: Drinnen, im Congress-Hotel, sitzen ab dem späten Vormittag die zuständigen Behördenmitarbeiter aus der Region mit ihren Bürgermeistern und lassen sich vom Projektverantwortlichen der Deutschen Bahn informieren, draußen pfeifen und brüllen sich die Mitglieder einer Bürgerinitiative Frust und Protest aus dem Leib.

Es wird nicht das erste und nicht das letzte Mal sein, dass sich diese Szene abspielt. Um die 25 Bürgerinitiativen soll es entlang der viel diskutierten Bahn-Ausbaustrecken zwischen Hamburg, Bremen und Hannover mittlerweile geben: Y-Monster, Raumwiderstand, Trassenwahn sind nur ein paar der originellsten Namen.

Zur Zeit tingelt die DB Netz durch die Lande, um mögliche Trassenverläufe zu diskutieren – wohlgemerkt unter Ausschluss der Politik und der Öffentlichkeit, was an sich schon für Unruhe sorgt. Für noch viel mehr Unmut sorgt allerdings der Umstand, dass sich dabei die Hinweise verdichten, dass die Bahn von dem mühsam errungenen Kompromiss „Alpha-E“ Abstand nehmen möchte.

Alpha-E ist der Name für die Variante mit dem Ausbau der bestehenden Bahnstrecken, die ein beispiellos breites Bündnis aus den betroffenen Landkreisen, Städten und Kommunen, Umweltverbänden und Bürgerinitiativen im „Dialogforum Schiene-Nord“ schon 2015 erarbeitet hatte – in zähem Ringen mit der Deutschen Bahn, moderiert vom niedersächsischen Wirtschaftsministerium.

Offiziell ist Neubau nur eine von drei Varianten

So ganz verbindlich war dieser Beschluss allerdings nie und auch nicht bis ins Detail durchgeplant – und durch genau diese Hintertür kommen nun wieder Varianten ins Spiel, die der schicken Hochgeschwindigkeits-„Y-Trasse“ verdächtig ähnlich sehen, die von der Bahn aufgrund des massiven lokalen Widerstandes damals nicht durchgesetzt werden konnte.

Offiziell dient die angedachte Neubautrasse durch die Lüneburger Heide der Bahn ja nur als eine von drei Grundvarianten, die aktuell geprüft werden. Ende 2022 sollen die Ergebnisse dem Bundesverkehrsministerium übergeben werden, schon im Mai soll der Bundestag beraten – dazwischen wird es möglicherweise auch noch einmal öffentliche Informationsveranstaltungen geben.

Aus den Äußerungen der Projektverantwortlichen in den kommunalen Gesprächen glauben aber nun schon viele eine Präferenz für die Neubaustrecke ableiten zu können. Auch der NDR will so etwas aus nicht näher genannten „Bahnkreisen“ erfahren haben.

Niedersächsische Spitzenpolitiker fühlten sich daher immer wieder bemüßigt, zu bekräftigen, dass das Land zum Alpha-E-Kompromiss stehe und gegen einen Neubau sei. So sagte es der (damals noch) Wirtschafts- und Verkehrsminister Bernd Althusmann (CDU) im September, Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) im Oktober und der jetzige Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) im November.

Verkehrswende sei nur mit Neubau möglich, sagt VCD

Für die Neubauvariante trommeln hingegen der Verkehrsclub Deutschland (VCD) Niedersachsen, Pro Bahn Niedersachsen und der Deutsche Bahnkundenverband. Sie argumentieren, dass eine nennenswerte Erhöhung der Streckenkapazitäten und damit eine echte Verkehrswende nur mit dem Neubau möglich sei. Auch der Deutschlandtakt mit deutlich schnelleren Verbindungen zwischen den Metropolen sei mit der 30 Kilometer kürzeren Neubaustrecke besser zu erreichen. Dadurch, dass diese an der A7 und der B3 entlang geführt werde, halte sich ja auch die zusätzliche Belastung für Anwohner in Grenzen.

Überhaupt seien im Dialogforum Schiene-Nord die Bürger überrepräsentiert gewesen, die sich durch mögliche Baumaßnahmen belastet fühlen, argumentiert Martin Mützel vom VCD.

Die Interessen von Fahrgästen, Güterkunden und Anwohnern der Bestandsstrecken seien dagegen nicht hinreichend berücksichtigt worden. „Dadurch wurde eine Variante mit zu geringer Leistung entwickelt. Leider ist Physik nun einmal keine demokratische Veranstaltung.“

Gegner der Neubautrasse wie beispielsweise die Bürgerinitiative Y-Monster in Seevetal argwöhnen allerdings, dass der Deutschlandtakt und die Interessen der Bahnfahrenden in diesem Zusammenhang nur vorgeschoben werden. Immerhin beträgt die Zeitersparnis auf der Strecke nur zehn bis zwanzig Minuten.

In Wirklichkeit ginge es um die Interessen des Hamburger Hafens, der seinen Güterverkehr schneller auf die Schiene kriegen will, glauben sie – gern auch auf Kosten der niedersächsischen Häfen sowie der Städte und Kommunen, die durch den Neubau entweder zerschnitten oder abgehängt werden. Auch von den übergesetzlichen Lärmschutzmaßnahmen, die mit der Alpha-E-Variante noch festgeschrieben werden sollten, ist plötzlich nicht mehr die Rede.

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4 Kommentare

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  • Alpha-E ist eine Konstruktion, die schon bei Baubeginn überlastet wäre. Um genügend Kapazität zu haben, müsste die Strecke von Celle bis Stelle durchgängig viergleisig sein, was ebenfalls abgelehnt wird. Lückenloser viergleisiger Ausbau oder Neubau an der A7: sucht es euch aus.

  • Bei einer ddrzeotigen Fahrtzeit von 1:15 zwischen Hamburg und Hannover sind 20 Minuten Zeitersparnis nicht wenig Dazu kommt noch, dass allee ICEs dann ohne Zwischenhalte in diversen Kleinstädten von Hamburg nach Hannover fahren, das bringt auch noch einige Minuten. Zusammen mit anderen Maßnahmen lässt sich die Fahrtzeit von Hamburg nach München so um bis zu eine Stunde kürzen. Das ist wichtig, um Auto und Flugzeug weniger attraktiv zu machen.

    Die niedersächsische Landesregierung handelt hier gegen die Interessen ihrer Bürger. Es ist doch auch im Interesse der Menschen im Großraum Hannover, schneller in Hamburg zu sein. Was steckt dahinter? Vielleicht macht das Hafenargument umgekehrt mehr Sinn, man will die wirtschaftlich wenig erfolgreichen eigenen Häfen wettbewerbsfähiger machen, indem man den Güterverkehr nach Hamburg bewusst behindert. Klassische Kirchturmpolitik.

    Die neue Trasse führt übrigens nicht wirklich durch die Lüneburger Heide, sondern an dieser vorbei.

  • 0G
    05867 (Profil gelöscht)

    Man kann nur hoffen, das bei der weiteren Planung von den Verfahrenserleichterungen Gebrauch gemacht wird, die unlängst für den Bau der LNG-Terminals angewandt wurden.



    Die Bahn ist eine zentrale Komponente der überfälligen Verkehrswende. Der Verkehrssektor hat bzgl CO2 Einsparung den größten Nachholbedarf, daher müssen die Arbeiten an der Trasse umgehend beginnen.



    Die Bürgerbeteiligung hat hier in den vergangenen Jahrzehnten zu einem unverantwortlichen Planungsstillstand geführt. Sie sollte daher auf ein Minimalmaß begrenzt werden.

    An Lärmschutzmaßnahmen sollten hingegen nicht gespart werden.

  • Die Bevölkerung und die Kommunen an Fernverkehrsstrecken und Autobahnen müssen an den Einnahmen durch die Streckennutzungen beteiligt werden. So steigert man die Akzeptanz ganz schnell.