: Bafög muß voll zurückgezahlt werden
■ Verfassungsgericht lehnte Beschwerde eines Studenten ab, der nur noch die Hälfte des Bafög-Kredits zurückzahlen wollte
Karlsruhe (taz) – Wer zwischen 1983 und 1990 den Höchstsatz des Bafögs als Volldarlehen erhalten hat, muß das Geld auch vollständig zurückzahlen. Dieses Urteil hat gestern das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe veröffentlicht. Es hatte über die Verfassungsbeschwerde eines Studenten zu entscheiden. Der Mann hatte sich gegen einen Rückzahlungsbescheid des Bundesverwaltungsamtes in Köln gewandt. Er wollte nur die Hälfte seines Bafög-Darlehens zurückzahlen, obwohl er von 1982 bis 1987 Bafög als Volldarlehen bezogen hatte. Er hatte angegeben, sich in seinem Grundrecht auf Gleichbehandlung verletzt zu fühlen.
Hintergrund des Rechtsstreits sind die ständigen Änderungen bei der Ausbildungsförderung für Studierende. Traditionell wurde das Bafög je zur Hälfte als Zuschuß und als Darlehen gewährt. Eine der ersten Amtshandlungen der neuen Kohl-Regierung war 1982/83 die Umstellung der Förderung auf Volldarlehen.
Dies führte dazu, daß kaum noch jemand Bafög in Anspruch nahm. Die Förderungsquote ging von 37 Prozent (1982) auf unter 20 Prozent (1990) zurück. Deshalb wurde das Bafög 1990 wieder auf das alte 50-zu-50-Schema umgestellt. Wer Volldarlehen erhalten hatte, mußte jedoch den Kredit auch voll zurückzahlen. Hiergegen wehrte sich der Kölner Student durch alle Instanzen – ohne Erfolg. Er hatte sich auf den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes berufen (Artikel 3), Zufallskriterien dürften nicht über die Art der Studienförderung entscheiden.
Diese Argumentation, die den Spielraum gerade für positive Reformen stark verengt hätte, wies das Verfassungsgericht zurück. Die Bafög-Bedingungen würden, so die RichterInnen in Karlsruhe, nicht erst im Rückzahlungs-, sondern schon im Bewilligungsbescheid festgelegt.
Gegen den hatte der Student aber natürlich nicht geklagt, da er ja weder wissen noch beweisen konnte, daß sich die Kohl-Regierung sieben Jahre später doch noch besinnen würde.
Inzwischen haben Studierende andere Sorgen, da der Gesetzgeber in Sachen Bafög wieder den Rückwärtsgang eingelegt hat. Bundesweit laufen zahlreiche Klagen gegen die im August in Kraft getretene Bafög-Novelle, die letztlich auch in Karlsruhe landen werden. Die Studierenden bemängeln vor allem den fehlenden Vertrauensschutz bei der Neuregelung, die nach der Überschreitung der Höchstförderungsdauer nur noch verzinsliche Darlehen vorsieht. Wer in Unigremien tätig war oder Auslandssemester einlegte, hatte dies noch im Vertrauen auf eine „angemessene“ Weiterförderung getan (Az.: 1 BvR 315/95). Christian Rath
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