Babyklappe funktioniert nicht: Notfallhilfe außer Betrieb
Die Babyklappe am St.-Joseph-Krankenhaus in Tempelhof ist seit Monaten geschlossen. Wegen Umbauarbeiten sei das nicht zu vermeiden, heißt es.
Babyklappen können Leben retten - wenn sie denn funktionieren. Das ist im St.-Joseph-Krankenhaus in Tempelhof schon seit Monaten nicht der Fall. "Babyklappe zur Zeit defekt. Geben Sie Ihr Kind anonym in der Telefonzentrale ab", heißt es lapidar auf einem Schild, das jemand mit rot-weißem Band außen auf die metallene Babyklappe geklebt hat. Für Mütter, die ihr Neugeborenes in der Klinik lassen wollen, ohne gesehen zu werden, muss das klingen wie Hohn.
Bereits seit Anfang März ist die Babyklappe wegen Umbauten der Klinik außer Betrieb, sagt Eva-Maria Haenecke, stellvertretende Pflegedirektorin im St.-Joseph-Krankenhaus, gegenüber der taz. "Es tut uns leid, aber es ging nicht anders." Die Neugeborenenabteilung und die Kinderintensivstation würden zusammengelegt, die Arbeiten seien frühestens Ende August fertig. Zunächst habe man versucht, die Klappe offen zu halten. Doch es habe zu viele Fehlalarme gegeben."Wir gehen davon aus, dass die Mütter sich auch an andere Babyklappen wenden, dass sie einen Ausweg finden", so Haenecke. Im Internet weise das Krankenhaus auf die vorübergehende Schließung der Klappe hin.
Der Verweis auf den Pförtner sei eine Notlösung, räumt Haenecke ein. Ein Mann habe sich aber in der Zeit tatsächlich in der Zentrale gemeldet. Die Telefonistin habe das Baby dann mit ihm zusammen einer Kinderkrankenschwester überreicht.
In Berlin gibt es insgesamt vier Babyklappen. Sie sind gedacht für Mütter in Notlagen, die heimlich ein Kind zur Welt gebracht haben. Die Annahmestellen sollen verhindern, dass Säuglinge ausgesetzt oder getötet werden. So kann die Mutter das Kind in das gewärmte Bett in der Klappe legen und gehen. Sensoren lösen erst nach einer gewissen Zeit in der Klinik Alarm aus. Von 2001 bis 2009 wurden in Berlin nach Senatsangaben insgesamt 34 Kinder anonym in den Babyklappen abgegeben.
Das Krankenhaus Waldfriede in Dahlem war die erste Klinik, die im Jahr 2000 in Berlin eine solche Klappe einrichtete. Auch dort gab es Umbauten, berichtet Gabriele Stangl, Pastorin im Krankenhaus und Initiatorin des Projekts. "Wir haben uns entschieden, drumherum zu bauen. Durch einen langen Schlauch aus Folie konnten die Mütter die Babyklappe trotz der Bauarbeiten erreichen." Das sei auch nötig gewesen: "In diesen Monaten sind tatsächlich Kinder abgegeben worden", erzählt Stangl. Die Situation am St.-Joseph-Krankenhaus bezeichnet sie als "nicht ideal". Allerdings hätten auch bei ihnen Frauen ihr Baby bereits zur Information gebracht.
Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) hält Babyklappen normalerweise für unabdingbar. "Für Frauen in extremen Notlagen ist die Babyklappe eines von vielen wichtigen Hilfsangeboten, um Leben zu schützen. Die Babyklappen haben sich in der Vergangenheit bewährt", sagte sie der taz. Dass die Klappe im St.-Joseph-Krankenhaus derzeit nicht funktioniert, will sie trotzdem nicht kritisieren. "Das ist eine Entscheidung, die der Pflegedienst verantwortungsvoll getroffen hat."
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