piwik no script img

BVB-Trainer Thomas TuchelEr will doch nur spielen

„Es gehört dazu, mich zu ertragen“: Warum Thomas Tuchel, der überehrgeizige Trainer des BVB, sich manchmal selbst im Weg steht.

Ein Getriebener: Thomas Tuchel Foto: ap

Thomas Tuchel hat in den vergangenen Tagen sicher das eine oder andere mal an Pep Guardiola gedacht. Der Erfolgscoach ist das große Idol des Trainers von Borussia Dortmund, und in schwierigen Momenten ist die Orientierung an den persönlichen Leitfiguren ja oft hilfreich.

Eine komplizierte Länderspielpause hat Tuchel zweifellos hinter sich, nicht nur weil sich mit Raphael Guerreiro und Sokratis zwei wichtige Spieler verletzt haben und nun ausfallen. Zwischen dem 0:2 in Leverkusen und dem heutigen Duell bei Hertha BSC Berlin sind eine Menge anderer Dinge passiert.

Tuchel gab ein unglückliches Bild ab, als er in Leverkusen zum Verbalumschlag ausholte. Die Gegner spielten viel zu hart, die Schiedsrichter schützten seine Dribbler nicht, behauptete er, bevor er seine grundsätzliche Verachtung über Leverkusens Balleroberungsfußball zum Ausdruck brachte. Das hat seinem Ansehen geschadet. Nicht nur Berlins Trainer Pal Dardai empfand diesen Auftritt als „nicht klug“ und „grenzwertig“. Große Teile der Fußballnation schüttelten den Kopf über den Dortmunder Coach, der als Fachmann angesehen ist, der aber kaum Herzen zu erobern scheint.

Da passte es, dass zwei Tage nach der Niederlage von Leverkusen auch noch bekannt wurde, wie zerstritten Tuchel mit dem Dortmunder Chefscout Sven Mislintat ist. Der soll das Trainingsgelände nicht mehr betreten, eine Versöhnung ist offenbar ausgeschlossen. Tuchel erscheint nicht zum ersten Mal wie ein verbissener Ehrgeizling mit Neigung zur Überreaktion.

Trainer ohne Empfindungen?

In Dortmund gab es bis zum Donnerstagmittag keine offiziellen Stellungnahmen der Verantwortlichen zu dieser Sache. Doch nach allem, was aus dem Klub zu hören ist, täuscht der Eindruck, Mislintat sei ein Opfer von Tuchel geworden. Hier sind einfach zwei nicht ganz einfache Menschen aufeinander getroffen, die sich nicht riechen können.

Tuchel, 43, ist anders als der Menschenfänger Jürgen Klopp. Tuchel ist anstrengend, er ist ein Pedant, der von einem schier unermesslichen Ehrgeiz getrieben ist. Dieser Wesenszug ist Stärke und Schwäche zugleich. „Es gehört dazu, mich zu ertragen“, hat er einmal gesagt. Zorc und Hans-Joachim Watzke, der Vorsitzende der Geschäftsführung, nehmen Tuchels Macken hin und bekommen dafür die Facharbeit eines Experten, den viele Beobachter für den besten deutschen Trainer der Gegenwart halten.

In den Köpfen der Menschen ist das Bild eines schlauen Trainers mit einem Herz aus Stahl entstanden

„Kicker“

Auf den Rückflügen nach Auswärtsspielen ging zur Zeit von Jürgen Klopp noch eine lockere Entspanntheit von der Sitzreihe mit den Trainern aus, es wurde gescherzt und gelacht. Thomas Tuchel hingegen starrt schon wenige Stunden nach Abpfiff wieder auf sein Laptop, seziert Szenen, und die Profis können beobachten, wie ihr unerbittlicher Chef Fehler identifiziert. „In den Köpfen der Menschen ist das Bild eines schlauen Trainers mit einem Herz aus Stahl entstanden“, schrieb der Kicker schon zum Ende der vorigen Saison. Aber ist Tuchel wirklich ein Trainer ohne Empfindungen, der keine Nähe zulässt? Wohl kaum.

Ein Getriebener

Der Schwabe ist keine Rampensau, im Gegensatz zu einigen Kollegen blüht er nicht auf, wenn er sich vor die Kameras und Mikrophone der Fußballöffentlichkeit begibt, sondern er erfüllt seine Pflicht. Tuchel ist höflich, geduldig, manchmal sogar herzlich, und er liefert fachliche Substanz statt Unterhaltung. Kühl und unzugänglich wirkt er nur, wenn er frustriert ist, wie vor zwei Wochen in Leverkusen.

Wenn man sieht, wie er mit seinen Spielern umgeht, wie liebevoll er von ihnen spricht, mit wie viel Empathie er über die Probleme von Mario Götze spricht, kann man Tuchel nicht ernsthaft für kalt halten. Er ist ein Getriebener, dessen Liebe der Mannschaft und der Arbeit am Spiel gehört.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • "...mit wie viel Empathie er über die Probleme von Mario Götze spricht..."

     

    Tja. Post-play vs. Hertha (1:1). Erneut: Herr Götze kam im Spiel nicht vor. Zusammen mit Rode wurde er frühzeitig in der 2. Hälfte ausgewechselt, es kamen der angeschlagene Dembélé und Kagawa. Danach erst erhöhte sich signifikant der Druck des BVB - und es lag wohl weniger an Rode, der sich wie immer abrackerte wie blöd. Zieht man über Löws Besetzungsbeharrlichkeiten und den Einsätzen unter Guardiola eine Trendlinie, dann ist sie in bezug auf Götze flach oder abfallend. Guardiola hatte das (frühzeitig) erkannt und machte dann die für ihn typischen "tödlichen" Jubelarien auf den Spieler bei gleichzeitigem Nichteinsatz.

     

    Tuchel empathisiert *und* setzt ein. Mit der Folge, dass er während des Einsatzes von Götze mit faktisch einem Mann weniger auf dem Platz dasteht.

     

    Wie lange dauert wohl noch die Empathisierungsphase? Wann geht er wohl zu Jubelarie und Nichteinsatz über?