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BSW verpasst Einzug in den BundestagWagenknecht will weitermachen

Die Parteigründerin sieht ihr BSW noch nicht am Ende. An dem knappen Wahlergebnis gibt sie den Medien die Schuld – und will es eventuell anfechten.

Hat alles richtig gemacht, Schuld sind andere: BSW-Chefin Sahra Wagenknecht Foto: Wolfgang Rattay/reuters

Berlin taz | Sahra Wagenknecht reagiert pikiert. „Ich weiß, dass Sie das sehr gerne hören möchten, und deswegen werde ich Ihnen diesen Gefallen nicht tun“, antwortet die Vorsitzende des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) einem Journalisten, der wissen will, ob sie sich nun aus der Politik zurückziehe. Denn im Wahlkampf hatte sie ihre politische Zukunft an das Ergebnis bei der Bundestagswahl geknüpft.

„Wer nicht im Bundestag ist, ist in der deutschen Politik kein relevanter Faktor mehr“, hatte Wagenknecht damals wörtlich gesagt. Am Tag nach einer dramatischen Wahlnacht will sie davon nichts mehr wissen. Das BSW verpasste knapp den Einzug in den Bundestag. Die Gremien ihrer Partei würden nun „beraten, wie wir weitermachen“, so Wagenknecht. Hinschmeißen wolle sie nicht. „Die Schlagzeile wollen sie gerne haben, die werde ich aber nicht ­liefern.“

Wagenknecht wirkt angestrengt, als sie am Montagmorgen mit ihrer Co-Parteichefin Amira Mohamed Ali in Berlin vor die Hauptstadtpresse tritt. Sie hat aber auch einen echten Wahlkrimi hinter sich. Hauchdünn ist ihr Bündnis Sahra Wagenknecht an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Erst um zwei Uhr nachts stand fest, dass ihr 0,03 Prozent fehlten, gerade mal 13.400 Stimmen. Die Bundeswahlleitung bezifferte das amtliche Endergebnis für die Partei auf 4,97 Prozent.

Das habe deutlich über den Prognosen der Tage zuvor gelegen, betont Wagenknecht. Es sei „ein gutes Ergebnis“, wenngleich mit einem „bitteren Nachgeschmack“. Insgesamt hätten sogar mehr Menschen das BSW gewählt als bei der Europawahl im vergangenen Juni, wo die Partei aus dem Stand auf 6,2 Prozent gekommen war, betont sie. Damals lag die Wahlbeteiligung mit rund 51 Prozent deutlich niedriger als bei dieser Bundestagswahl, wo sie fast 83 Prozent erreichte.

Klage wohl aussichtslos

Die BSW-Vorsitzenden Wagenknecht und Amira Mohamed Ali kündigten an, das Wahlergebnis rechtlich prüfen zu lassen. Der Grund: Viele im Ausland lebende Deutsche konnten nicht abstimmen. Sie hatten ihre Briefwahlunterlagen aufgrund der kurzen Fristen zu spät erhalten. Die Juristin Sophie Schönberger hält eine Klage für aussichtslos, wie sie der Zeit sagte. Es gebe keinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Briefwahl, so die Co-Direktorin des Universitätsinstituts für Parteienrecht in Düsseldorf.

Mohamed Ali verwies außerdem darauf, dass das BSW in einigen Wahllokalen, etwa in Aachen, möglicherweise mit der Partei „Bündnis Deutschland“ verwechselt worden sei. Auch das wolle man jetzt „juristisch überprüfen lassen“.

Wagenknecht wiederholte den schon im Wahlkampf geäußerten Vorwurf, das BSW sei von Medien ausgegrenzt und „niedergeschrieben“ worden. Und sie warf einzelnen Umfrageinstituten vor, potenzielle Wählerinnen und Wähler ihrer Partei bewusst mit zu niedrigen Werten in die Irre geführt zu haben.

Das Forsa-Institut des Demoskopen Manfred Güllner etwa habe das BSW kurz vor der Wahl auf 3 Prozent „gesetzt“: das sei „keine Wahlprognose, sondern eine gezielte Aktion zur Manipulation von Wahlverhalten“ gewesen, zürnte Wagenknecht. Auch eine Strafanzeige will Wagenknecht stellen: Auf der Plattform X soll ein Account falsche Umfragewerte veröffentlicht haben, bei denen das BSW mit nur 3 Prozent angegeben worden sei.

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Das Problem mit dem Regieren

„Dass sich unsere Gegner so viel Mühe gemacht haben, uns niederzukämpfen und aus dem Bundestag zu drängen, ehrt uns. Dass sie vorläufig Erfolg hatten, ist ein Rückschlag“, erklärte die 55-Jährige. Das BSW sei noch nicht am Ende, der Partei seien in kurzer Zeit beispiellose Erfolge gelungen.

Die Regierungsbeteiligung in Thüringen und Brandenburg habe das BSW allerdings vor ein Dilemma gestellt, räumte Wagenknecht ein. Manche Erwartungen seien enttäuscht worden. Ein kostenloses Schulessen, wie in Brandenburg gefordert, scheiterte etwa wegen knapper Kassen.

Wer nicht im Bundestag ist, ist in der deutschen Politik kein relevanter Faktor mehr

Sahra Wagenknecht vor der Wahl

Weitere Gründe für die Schwierigkeiten bei der Bundestagswahl sei ein Mangel an Geld und Personal. Auch sei es von Nachteil gewesen, dass sich der Wahlkampf so stark um das Thema Migration gedreht habe. Weniger Migration zu fordern, sei „kein Alleinstellungsmerkmal“ des BSW. Die Zustimmung zum „Zustrombegrenzungsgesetz“ der Union, das mit den Stimmen von AfD, FDP und BSW fast eine Mehrheit bekommen hätte, wollte sie auch im Nachhinein nicht als Fehler sehen. Da sei man seiner Haltung treu geblieben, so Wagenknecht.

Wagenknecht bedauerte, dass sich einige Unterstützer zurückgewiesen gefühlt hätten. Die Partei hat bisher nur 1.200 Mitglieder aufgenommen, und das nach teils undurchsichtigen Aufnahmekriterien. Das sei anders nicht möglich gewesen, verteidigte sie sich und versprach: „Wir werden das in Zukunft auf jeden Fall anders machen.“ Dann lobte sie wieder „das beste Ergebnis, das eine neue Partei jemals bei einer Bundestagswahl erzielt hat“.

Das BSW habe in relevanter Zahl Menschen angesprochen, die nicht mehr gewählt oder sonst die AfD gewählt hätten und die sich von linken Parteien nicht mehr vertreten fühlten. Ihre Co-Chefin Mohamed Ali leitete daraus den „Auftrag“ ab, die Partei spätestens 2029 wieder in den Bundestag zu führen. Auf einen Rückzug von der Parteispitze wollte sie sich am Tag nach der Wahl nicht festlegen. Dies werde in den Gremien beraten, sagte Wagenknecht in Berlin. Wenn es ein Ergebnis gebe, werde man dies mitteilen.

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9 Kommentare

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  • Das eigentliche Programm von BSW ist ... Sarah Wagenknecht. Die Rückkehr der Linken ohne Guru tut wirklich gut.

  • Bemerkenswert, wie Sahra Wagenknecht stets zielsicher Ursache und Wirkung verkennt.

  • Statt 5% nur 3% ist schon eine Abweichung, die man seltsam finden kann. Wenn ich richtig rechne, sind das bei etwa 1000 befragten Personen etwa 3 Standardabweichungen, was schon sehr viel ist. Allerdings gibt es leider kein Gesetz, das diese Institute dazu zwingt, ihre Rohdaten und die nachfolgende algorithmische Bearbeitung offenzulegen.

  • Ich bin mir uneins ob ich den Egoknacks von Lindner oder von Wagenknecht amüsanter finde...

  • Ich würde mich sehr wundern, wenn da jetzt noch weiter massenweise Menschen in die Partei eintreten wollen, ich tippe eher auf das Gegenteil. Insbesondere nach den Debakeln in HH Kandidaten für die BTWahl auszuschließen mit Hausvervot und Platzverweis und dann zur Krönung die Abstimmung mit der AgD. --- In Emden sind die drei Ex-Linken im Stadtrat nach diesem Abstimmungseklat wieder aus dem BSW raus, auch sonst hört man nur noch von Austritten, nicht von Schlangen bei der Bewerbung um den Eintritt. --- Aber heult ruhig laut in alle Äther und macht euch weiter zum Horst, die Linke kann den Schwung, der dadurch entsteht, ganz gut gebrauchen.

  • Ich verstehe einfach nicht, wie man eine Partei wählen bzw. sich in einer Partei engagieren kann, die schon im Namen zeigt, dass sie ein Ego-Projekt einer einzelnen Person ist.

    • @Jeff:

      Jeff "unterschätze niemals die Macht eines Personenkultes."

  • Schlechte Verlierer mag niemand.

  • Frau Wagenknecht geht es nur um Frau Wagenknecht. Das Ergebnis der Linken zeigt das ganz deutlich. Nach dem Austritt von Frau Wagenknech, konnte sich die Linke endlich erneuern. Und das BSW ist die Privatpartei von Frau Wagenknecht. Inhaltslos und machtbesessen.