BSW-Fraktion in Sachsen steht: Geburtswehen und Demut

Die sächsische BSW-Landtagsfraktion konstituiert sich, wählt knapp die Vorsitzende, spaßt mit der CDU und bietet jede Menge Jobs für Mitglieder.

Drei Personen schreiten durch eine gläsernen Flur.

Jörg Scheibe (l-r), Sabine Zimmermann, neue Fraktionsvorsitzende von BSW, und Lutz Richter auf dem Weg zur Pressekonferenz Foto: Robert Michael/dpa

taz | Dresden Neun Monate nach der Parteiinszenierung Sahra Wagenknechts geht nun auch in Sachsen eine Schwangerschaft zu Ende. Die Konstituierung der BSW-Landtagsfraktion am Dienstag war zwar eine Spontangeburt, worauf die gewählten Fraktionsspitzen hörbar stolz sind. Aber sie verlief nicht ohne Komplikationen. Von den 15 gewählten Abgeordneten nahmen nur elf an der Sitzung in einem der Säle des Landtags teil. Einer krank, eine auf Dienstreise, zwei hielten ihren bisherigen Job für wichtiger.

Der parlamentarische Geschäftsführer Lutz Richter, schon zu Linken-Zeiten im Landtag, nahm bewusst nicht an der Abstimmung über den Fraktionsvorsitz teil, wohl, um sich neutral zu halten. Für die 62-jährige Landesvorsitzende und Wagenknecht-Vertraute Sabine Zimmermann, bis 2021 für die Linke im Bundestag, stimmten nur sechs der zehn Abgeordneten. Vorausgegangen war die Einigung über die Satzung, die nun keine Doppelspitze vorsieht.

Zimmermanns Ko-Landeschef Jörg Scheibe wird stattdessen in der konstituierenden Sitzung des sächsischen Landtages am 1. Oktober für das Amt des Landtags-Vizepräsidenten kandidierten. Nach dem Rückzug des bisherigen Präsidenten Matthias Rößler (CDU) aus Altersgründen bleibt dem Präsidium also das mehr oder weniger „breitgelatschte“ Sächsisch erhalten. Der Professor und Unternehmer Scheibe spricht allerdings mit etwas erträglicherer Chemnitzer Note.

Netter CDU-Besuch

Und es kam gleich Besuch. Der designierte Nachfolger Rößlers, der bisherige CDU-Generalsekretär Alexander Dierks, stellte sich bereits am Vormittag bei der neuen BSW-Fraktion vor. Der hinterlassene „gute Eindruck“ garantiert ihm bei der Präsidentenwahl am kommenden Dienstag auch die BSW-Stimmen.

Es geht überhaupt „ganz nett“ zu zwischen den Wagenknechten und der Union, so Sabine Zimmermann nach dem Treffen am Montag in der Staatskanzlei, also mit Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Ihm bleibt als einzige Option zur Bildung einer Mehrheitsregierung ein Bündnis mit BSW und SPD. „Da gibt´s auch mal ein Späßchen“, sagt die BSW-Vorsitzende, da gehe es nicht trocken zu. Dieses erste Treffen fällt unter die Rubrik „Kennenlerngespräche“. Geht es weiter so spaßig zu, könnten nach BSW-Plan daraus Vorgespräche, dann Sondierungen und schließlich Koalitionsverhandlungen werden. Qualität gehe vor Tempo, sagt Ko-Landesvorsitzender Scheibe.

„Rote Linien“ für diese Gespräche nennt die Fraktionsspitze nicht, also auch nicht die von Sahra Wagenknecht geforderte westliche Verhandlungsbereitschaft mit Russland. Es fällt überhaupt auf, dass die Sachsen jeden Eindruck einer zentralistisch geführten „Partei neuen Typus“ vermeiden wollen, wie sie Lenin vor mehr als 100 Jahren beschrieb. Künftige Anfragen im Landtag werde jedenfalls sie unterschreiben und nicht Frau Wagenknecht, antwortete die Fraktionsvorsitzende auf eine Scherzfrage.

Gute Aufstiegschancen für Mitglieder

So provisorisch, wie die Landespartei und ihre Fraktion noch wirken, so vage fällt die Beschreibung inhaltlicher BSW-Positionen aus. Bildung, Gesundheit, Migration werden als Schwerpunktthemen genannt, letzteres in Übereinstimmung mit der CDU. Sabine Zimmermann gebraucht die bekannten Formeln, man wolle sich konstruktiv einbringen und vernachlässigte Probleme der Menschen ansprechen. Fachpolitische Sprecher wurden noch nicht nominiert.

Zur ersten Landtagssitzung wird die neue Fraktion im Wortsinn Farbe bekennen müssen. Erwartet wird ein AfD-Antrag zur Einsetzung eines Corona-Untersuchungsausschusses. Mit der Konstituierung kann die BSW-Fraktion nun Mitarbeiter einstellen. Nach Angaben von Lutz Richter steht eine „dreistellige Bewerberzahl“ Schlange. Ihren Mitgliedern bietet die neue Partei ohnehin Aufstiegschancen. Jedes fünfte der landesweit nur 75 Mitglieder sitzt im Landtag! Da klingt der Blick auf den Landtagsstart durch Sabine Zimmermann fast schon sympathisch: „Ein bisschen Demut ist dabei, dass wir jetzt da eingezogen sind!“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.

Ihren Kommentar hier eingeben