BREMEN WILL DIE ELTERN VON SCHULSCHWÄNZERN BÜSSEN LASSEN: Repression schafft keine Lernerfolge
Ob da wohl was zu holen ist? Bremens Regierende wollen Schulschwänzern an den Geldbeutel, genauer: deren Eltern. Papi und Mami sollen mit einem gekürzten Kindergeld dafür büßen, dass ihre Kinder „Schulvermeider“ sind – so heißen die lustlosen, genervten, unmotivierten Kids im Amtsdeutsch. Leider gehören Eltern dieser Klientel meist der so genannten niedrigen sozialen Herkunftsgruppe an. Sprich: Entweder ist da nix zu holen – oder es tut den Familien wirklich weh.
Es soll ja auch wehtun, erklärt Bremens Bildungssenator Willy Lemke. Genau da beginnt das eigentliche Problem der stadtstaatlichen Rückrufaktion für Bildungsabstinenzler. Auch den Kids wird es im Wortsinne wehtun – denn ihre Eltern werden den Entzug von (Kinder-)Geld ähnlich drastisch sanktionieren. Ob geohrfeigte, mit Fernseh- und Ausgehverboten belegte Jugendliche zu strebsamen Schülern mutieren? Das braucht keiner zu glauben. Mit Repression wird kein Lernerlebnis geschaffen, nicht ein Diktat besser.
Es ist bemerkenswert, dass selbst ein so findiger Kopf wie Willy Lemke auf der Suche nach neuen Wegen in der Schule sich in den deutschen Sonderweg des pädagogischen Spießrutenlaufs verirrt. Was anno dazumal der Rohrstock, das Schmoren in der Ecke und der Klassenbucheintrag waren, sind heute die bayerischen Polizisten, die Schulschwänzer jagen, und der hanseatische Kindergeldentzug. Wenn ihre Kinder nicht lernen wollten, rutscht den Deutschen eigentlich immer die Hand aus – zur Motivation. „Hat mir ja auch nicht geschadet“, wird dann als blöde Rechtfertigung nachgereicht.
Die intelligenteren Druckmotivierer argumentieren mit Pisa. Der Schultest habe gezeigt, dass man Schüler auch fordern müsse. Das stimmt. Nur ist Repression, egal welchen Härtegrades, keine Herausforderung, sondern eine Demütigung. Fordern heißt, das zeigen die internationalen Beispiele bei genauem Hinsehen: hohe Ziele setzen, anspornen und zuallererst motivieren. Da liegt das deutsche, aus Preußen stammende Missverständnis: Fordern ist nicht klein machen – es bedeutet, Kinder groß zu machen. CHRISTIAN FÜLLER
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