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BGH zu intersexuellen MenschenKein eigener Geschlechtseintrag

Der Bundesgerichtshof bleibt binär: Der Eintrag im Geburtenregister mit „inter“ oder „divers“ ist laut seiner Entscheidung weiterhin nicht möglich.

Entweder – oder. Mehr gibt es für den Bundesgerichtshof nicht Foto: dpa

Karlsruhe afp | Intersexuelle Menschen können einem neuen Urteil zufolge weiter nicht beanspruchen, dass ihr Geschlecht im Geburtenregister mit „inter“ oder „divers“ eingetragen wird. Nach geltendem Recht können Intersexuelle nur beanspruchen, dass etwaige Geschlechtsangaben im Register gelöscht werden und dort keine weitere Eintragung erfolgt, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss entschied. (XII ZB 52/15)

Zur Begründung hieß es, das Familienrecht gehe von einem zweipoligen Geschlechtersystem mit Mann und Frau aus. Der Gesetzgeber habe zwar für intersexuelle Menschen die Möglichkeit geschaffen, von einer Eintragung des Geschlechts im Geburtenregister abzusehen. Doch damit sei kein weiteres Geschlecht wie etwa „inter“ geschaffen worden.

Im Ausgangsfall hatte ein intersexueller Mensch den Antrag auf Änderung des im Geburtenregister eingetragenen Geschlechts auf „inter“ oder „divers“ gestellt. Er war 1989 geboren und als Mädchen eingetragen worden. Laut einer vorgelegten Chromosomenanalyse ist er weder Frau noch Mann.

Die Klage scheiterte nun in allen Instanzen. Dem Beschluss zufolge können Betroffene seit der Gesetzesänderung vom November 2013 die Angabe ihres Geschlechts nachträglich löschen lassen. Deshalb würden Intersexuelle auch nicht in ihren Grundrechten verletzt.

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6 Kommentare

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  • Sehr schade, dass der BGH die Chance nicht genutzt hat, der strukturellen Diskriminierung von Intersexuellen entgegenzuwirken, obwohl auch das Bundesverfassungsgericht bereits die "Pflicht (..), die individuelle Entscheidung eines Menschen über seine Geschlechtszugehörigkeit zu respektieren“ festgestellt hat (BverfG, Beschluss vom 15.August 1996–
2BvR1833/95).

    Doch auch mit einem Eintrag wie „inter“ oder „divers“ im Geburtenregister wäre die Benachteiligung nicht beseitigt: Auf zahlreichen Formularen unterschiedlichster Bereiche muss das Geschlecht angegeben werden, ohne dass dafür eine Notwendigkeit erkennbar wäre; ebenso wird die Zweigeschlechtlichkeit scheinbar aus bloßer Gewohnheit z.B. in Datenbanken oder bei Anreden mitgeführt. Intersexuelle haben mit formalen Problemen im Meldewesen und bei der Ausstellung von Pässen zu kämpfen. Viele Gesetze sind ebenfalls nur auf "Männer" und "Frauen" ausgelegt. Nicht einmal das Grundgesetz mit der Formulierung “Männer und Frauen sind gleichberechtigt” (Art. 3 GG) wird Intersexuellen gerecht. Deshalb beinhaltet das Programm der Partei Mensch Umwelt Tierschutz (Tierschutzpartei) die Forderung: "Offizielle Erfassung und Abfrage des Geschlechts nur, wenn unbedingt nötig; konsequente Umsetzung der Möglichkeit der unbestimmten Geschlechtsangabe in allen relevanten Gesetzen".

  • Irgendwie sind alle Menschen unterschiedlich. Das ist normal. Es gibt Menschen mit schwarzen Haaren und mit blonden Haaren... und dann sind da noch die Rothaarigen und die mit den Straßenkötermischungen... alles normal... Aber in Sachen Geschlecht, da wird alles unsichtbar gemacht, was nicht in der "NORM" ist... Als wäre das Personenstandsgeschlecht bedeutender als Körper und Identität des Menschen. Ich frage mich: Was macht der Mehrheitsgesellschaft so viel Angst vor der Wahrheit? Ich wurde intergeschlechtlich geboren, meine Geschlechtsanlagen wurden auf Wunsch der Gesellschaft zerstört und auch dashat nichts genutzt: ich indentifiziere mich als Intersexueller Mensch. Warum könnt ihr da draussen das nicht annehmen? Warum wollt ihr mich noch einmal demütigen?

  • Kann mam nicht einfach Frau und Mann eintragen statt divers - wäre doch kein Problem - oder mache ich jetzt einen Denkfehler?

  • Nunja, nur weil der BGH der Meinung ist, die Grundrechte seien nicht verletzt, heißt das nicht, dass der Gang zum BVerfG damit nicht geht. Der Schritt ist von der Dritten Optin für September geplant. Damit sind noch nicht alle Instanzen ausgeschöpft.

     

    Das BVerfG wäre allerdings vermutlich die letzte Instanz. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat ja bereits durchblicken lassen, dass solche "Ordnungsangelegenheiten" Sache der Staaten seien.

    • @Jana Saout:

      Ich antworte mal stellvertretend für beide Posts:

       

      Doch es sind alle Instanzen ausgeschöpft auf Grund der Zuständigkeiten, die Klage des Intersexuellen ist abgewiesen und kann auch nicht weiter verhandelt werden (Der BGH ist hierfür die letzte Instanz.) Daher ist die Aussage im Artikel komplett richtig.

       

      Die Verfassungsbeschwerde ist ein alternativer "Klageweg", hier ginge es auch nicht darum, dass das Standesamt (müsste zuständig sein dafür) nicht "inter" eingetragen hat, sondern ob es verfassungskonform ist, dass es das Geschlecht "inter" nicht gibt per Gesetz. Die Entscheidung würde hier auch eher nicht darauf hinauslaufen, dass dies eingetragen werden soll, sondern darauf , dass der Gesetzgeber die Grundlage schafft.

       

      Simplifiziert:

       

      Bis jetzt hat man alle zuständigen Schiedsrichter gefragt, ob die Regeln gebrochen wurden. Die haben nun entschieden, dass alle Regeln befolgt worden und es gibt auch keinen höheren Schiedsrichter mehr.

       

      Nun geht man zu den Leuten die die Regeln betrachten und schauen ob die mit der Grundidee des "Spiels" vereinbar sind.

  • Dass das Verfahren in allen Instanzen gescheitert ist, ist so nicht richtig. Wie die Kampagnengruppe ankündigt, wird am 2.9. Verfassungsbeschwerde eingereicht, min. eine Instanz steht also noch bevor.