BER-Ausschusschef Martin Delius: Vorsitzender auf Bewährung
Gleich in der ersten Sitzung erleidet Ausschusschef Martin Delius eine Niederlage. Das Gremium ist eine Bewährungsprobe für die Piraten.
BERLIN taz | Am Freitag hat in Berlin der Untersuchungsausschuss, der das Planungsdebakel um den neuen Großflughafen der Hauptstadt aufklären soll, seine Arbeit aufgenommen. Mit seinem Vorschlag für eine flexible Sitzordnung zog sich der Piraten-Abgeordnete Martin Delius, der den Ausschuss leitet, aber seine erste Niederlage zu.
Die Abgeordneten sollten von Sitzung zu Sitzung ihre Plätze tauschen, um eine Blockbildung nach Fraktionen zu verhindern, so seine Idee. Das war dann doch zu unorthodox für die Berliner Parlamentarier, alle lehnten den Vorschlag ab. „Diese Regelung wäre nicht sehr praktikabel“, begründete die Linke Jutta Matuschek ihr Veto.
Gut vier Monate ist es her, dass der Start des Hauptstadtflughafens geplatzt ist. Er war – nach einer ersten Verschiebung 2010 – für den 3. Juni 2012 vorgesehen. Nach aktueller Planung soll der am Stadtrand von Berlin auf dem Gebiet des Landes Brandenburg liegende Airport im Oktober 2013 öffnen. Berlin, Brandenburg und der Bund als Anteilseigner der Flughafengesellschaft rechnen jetzt schon mit Mehrkosten von 1,2 Milliarden Euro, wegen Baufehlern bei der Brandschutzanlage und weil der Schallschutz für die Anwohner viel zu niedrig kalkuliert wurde.
Für die Berliner Piraten ist der Untersuchungsausschuss eine Bewährungsprobe: Nun können sie zeigen, ob sie Politik können. Als Vorsitzender muss Delius eine Gratwanderung gelingen – einerseits über Fraktionsgrenzen hinweg Kollegialität beweisen, andererseits das ureigenste Piraten-Anliegen der Transparenz nicht aus den Augen verlieren. Kein Berliner Pirat hat dafür mehr Talent als der 28-jährige studierte Physiker mit seiner jahrelangen Erfahrung als Studierendenvertreter in der Berliner Hochschulpolitik.
Eine Bewährungsprobe ist der Ausschuss aber auch für Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), der als verantwortlicher Chef des Aufsichtsrats der Flughafengesellschaft schon viel Kritik einstecken musste. Zwar betont Delius, es gehe dem Untersuchungsausschuss nicht darum, irgendwelche Verantwortlichen zu Fall zu bringen. Doch Wowereits rot-schwarzer Senat hat erkennen lassen, dass er fast alle entscheidenden Dokumente wie die Protokolle von Aufsichtsratssitzungen als geheime Verschlusssache einstufen wird. Und wenn der Ausschuss Wowereit vorlädt, können die Regierungsfraktionen mit ihrer Mehrheit die Öffentlichkeit ausschließen.
„Wir werden das Landesverfassungsgericht einschalten, wenn unsere Rechte beschnitten werden“, droht der Grünen-Abgeordnete Andreas Otto deshalb. Er fordert den Rücktritt von Flughafengeschäftsführer Rainer Schwarz und Wowereits Ausscheiden aus dem Aufsichtsrat. In Berlin wird derweil gewitzelt, wer wohl schneller fertig sein wird: Der Flughafen – oder der dazugehörige Untersuchungsausschuss.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Überraschung bei U18-Wahl
Die Linke ist stärkste Kraft
RTL Quadrell
Klimakrise? War da was?
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben
Absturz der Kryptowährung $LIBRA
Argentiniens Präsident Milei lässt Kryptowährung crashen