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BBC in Kritik wegen RassismusKoloniale Sprachgewalten

Eine BBC-Journalistin zitiert in einem Beitrag das „N“-Wort. Der Sender reagiert darauf verhalten und verärgert damit sein Publikum.

Schöner Kulturwandel: Weg mit dem Konföderiertendenkmal Foto: Steve Helber/ap

Rassismus ist ein Ding der Worte und Ideen, nicht etwa der Biologie. Deswegen sind antirassistische Strategien oft die eines Sprach- und Kulturwandels. Dazu gehören – neben dem Entfernen oder kritischen Einordnen von kolonialen Denkmälern – zum Beispiel Begriffe, die nicht mehr verwendet werden sollen.

Der britische Rundfunksender BBC hat sich am Wochenende dafür entschuldigt, dass eine Korrespondentin auf Sendung das N-Wort ausgesprochen hat, eine massiv abwertende koloniale Bezeichnung für Schwarze Menschen. Antirassistische Initiativen fordern häufig, das Wort nicht zu verwenden oder zumindest nicht voll auszuschreiben.

Die BBC-Journalistin hatte in einem Beitrag vorletzte Woche einen Satz zitiert, der einem Schwarzen Briten bei einem rassistischen Angriff auf ihn in Bristol entgegengeschleudert worden war. Vor dem Beitrag hatte die BBC explizit vor „anstößiger Sprache“ gewarnt. Aufgrund dessen sowie der Tatsache, dass das Wort als Zitat benutzt worden war, veranlasste der Sender zunächst, die Verwendung zu verteidigen.

Als Argument für das Ausgeschriebene N-Wort wird nämlich oft angeführt, dass es dokumentierend verwendet werde und nicht adressierend, also an Menschen gerichtet.

18.000 Beschwerden

Das Argument dagegen ist, dass das Wort koloniale Gewalt ausstellt, etwa analog zu dem, was ein Denkmal tut. Die gekürzte Schreibweise „N-Wort“ ist in diesem Sinne wie ein Monument zu verstehen, das was gezeigt wird, aber nicht in seiner ursprünglichen Form, um seine symbolische Macht zu dekonstruieren, ohne diese Realität zu verschweigen. Im englischsprachigen Raum kommt oft hinzu, dass es dort bei vielen „anstößigen“ Begriffen üblich ist, diese teils durch Sternchen zu ersetzen oder zu „überpiepen“.

Der Sender hat sich also nun in einem Statement doch für die Verwendung entschuldigt. „Die BBC sieht nun ein, dass wir zum Zeitpunkt der Ausstrahlung einen anderen Ansatz hätten verfolgen sollen“, schrieb Senderchef Tony Hall am Sonntag in einer Nachricht an die Mitarbeitenden.

Zwischenzeitlich waren über 18.000 Beschwerden von Hörer*innen eingegangen und der Moderator DJ Sideman hatte über die Sache gekündigt.

In einer Videonachricht sagte DJ Sideman, die Verwendung des Wortes und deren Verteidigung durch den Sender habe sich wie ein „Schlag ins Gesicht der Community angefühlt“.

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4 Kommentare

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  • Der Titel des von mir erwähnten Buchs:

    Jonathan Rauch: "Kindly Inquisitors. The New Attacks on Free Thought".

    Ein grundlegendes Werk, vor 20 Jahren Erstveröffentlichung, aber brandaktuell. Erweiterte Fassung.

    '“A liberal society stands on the proposition that we should all take seriously the idea that we might be wrong. This means we must place no one, including ourselves, beyond the reach of criticism; it means that we must allow people to err, even where the error offends and upsets, as it often will.” So writes Jonathan Rauch in Kindly Inquisitors, which has challenged readers for more than twenty years with its bracing and provocative exploration of the issues surrounding attempts to limit free speech. In it, Rauch makes a persuasive argument for the value of “liberal science” and the idea that conflicting views produce knowledge within society.' (Amazon.de-Text)

  • “Rassismus ist ein Ding der Worte und Ideen, nicht etwa der Biologie. Deswegen sind antirassistische Strategien oft die eines Sprach- und Kulturwandels.”

    Es gibt eine weitere antirassistische Stategie – falls das nicht mit 'Kulturwandel' mitgemeint ist: aber es sollte auf jeden Fall betont werden: Vor allem kommt es darauf an, die Herzen und den Verstand der Menschen zu gewinnen. Und den früheren Bewegung der Schwarzen, der Frauen, der Schwulen war dies gelungen.

    Das erreicht man nicht (in erster Linie) durch einen Wandel der Worte! Wenn die Herzen und der Verstand nicht gewonnen wurden, werden die neuen Worte wahrscheinlich die alte Konnotation übernehmen: Aus der ‘Hilfschule’ wurde die ’Sonderschule’.

    Was wir aktuell sehen, ist eine Fetischisierung der Sprache. Vergessen wir nicht: ein erheblicher Teil unseres Denkens und unserer Kommunikation ist non-verbal, das haben wir von unseren Primaten-Vorfahren geerbt, und die können recht viel ohne Worte ‘denken’, in Bildern, in Gefühlen, in?

    Der Drang die Sprache zu reinigen, von allem, was irgend jemanden verletzen könnte, dürfte weder (letztlich) erfolgreich , aber auch nicht noch sozial wünschenswert sein: Alle Akteure sollten bedenken: wenn die Praxis: ‘Verbieten bei Mißfallen’ erst einmal als selbstverständlich etabliert ist, sie sich eines Tages auch gegen sie selbst richten kann. Es sollten immer die Langzeitkonsequenzen kurzfristiger Siege und Machtgewinne bedacht werden!

    Maximale (nicht unendliche: keine Aufrufe zur Gewalt gegen Personen) Toleranz dürfte der bessere Weg sein. Der (schwule) Autor Jonathan Rauch schreibt in seinem mitreißenden Pläydoyer für diese maximale Toleranz:

    „Society benefits from the toleration of hate speech, and so do targeted minorities“ (S.169).

    „Die Gesellschaft profitiert von der Tolerierung von ‚hate speech‘, angegriffene Minderheiten ebenso.“

    Das klingt im ersten Moment provokativ, aber er weiß es überzeugend zu begründen! Ein großartiges Buch!

  • Kleine Zwischenfrage: was hat ein (amerikanisches) Konföderiertendenkmal mit der (englischen) BBC zu tun?



    Lässt sich die Bildauswahl da nicht geschickter gestalten?