Autorinnen in den sozialen Medien: Das ganze Rumgeposte

Zeigen Autorinnen zu viel Bein auf Instagram? Das legt in der NZZ gerade im Ernst eine Literaturwissenschaftlerin nahe.

Frauenbeine über einem Weizenfeld

Kein Fall für die Wissenschaft: Frauenbein über Weizenfeld Foto: Ekaterina Pereslavtseva / EyeEm /getty

Hoppala: Da dekoriert man mal eben drei Macarons auf ein Tellerchen neben den neuesten Schmöker, schießt ein süßes Selfie, und puff, schon schießt der eigene Roman nach oben auf der Spiegel-Bestsellerliste, vorbei an den Franzens und Knausgårds, an den Schwer- und Feinarbeitern der Literatur. Frau im Internet müsste man sein!

Klingt unrealistisch, soll aber klappen. In einem Artikel für die Neue Zürcher Zeitung glaubt die Literaturwissenschaftlerin Martina Läubli so in etwa das Erfolgsgeheimnis der Autorinnen Christine Brand, Claudia Schumacher und Seraina Kobler ausgemacht zu haben: Sie „lächeln mit tiefroten Lippen (Schumacher), zeigen Bein (Schumacher, Kobler), die Föhnfrisur (Kobler) oder stimmungsvolle Fotos von Schreib­orten in der Zürcher Altstadt und am Strand von Sansibar“.

Lieber würde man sich die Nägel lackieren, als zum drölfzigsten Mal zu diskutieren, was an solchen Feststellungen frauenfeindlich ist. Schließlich hatten wir das alles schon mal, zuletzt im großen Stil vor drei Jahren, als der Schweizer Literaturkritiker Martin Ebel befand, die irische Autorin Sally Rooney schaue „wie ein aufgeschrecktes Reh mit sinnlichen Lippen“ – weil sich das so klasse vermarktet. Dass es ohne Föhnen und Lippenschürzen wiederum auch nicht recht ist, bekam etwa Helene Hegemann zu spüren, die zu Beginn ihrer Karriere im Magazin der Süddeutschen Zeitung als „grässliche Hippe“ verspottet wurde.

Schon in einem NZZ-Artikel von 2021 hatte Läubli kritisiert, dass sich Au­to­r:in­nen (Männer damals mitgemeint!) auf Social Media zu „Marktschreiern ihrer selbst“ machen. Schlimmer noch: Durch das ganze Rumgeposte werde „die Trennung von Werk und Autor, ein Kernanliegen der Literaturwissenschaft, von den Autoren selbst aufgehoben“.

Große Verwirrung. Schaffen profane Selfies also eine Transparenz, die den Geniemythos zerstört? Oder ist, im Gegenteil, die eitle Selbstmythisierung das Problem, das allzu offensive „Branding“? Dafür brauchten Autoren wie Benjamin von Stuckrad-Barre früher nicht mal einen Instagram-Account.

Inszeniertes Leseglück

Vielleicht stört schlicht die Tatsache, dass Autorinnen über ihr öffentliches Bild selbst verfügen wollen. Vielleicht aber hegen Läubli und gleichgesinnte Kritiker auch einfach Ressentiments gegenüber einem Medium, das ja nun mal tatsächlich viele Murksmechanismen hervorbringt. Viele von denen kann man prima kritisieren, ohne Frauen für ihre kurzen Röcke zu tadeln. Zum Beispiel, dass das hyggelig mit Decke und Tee inszenierte Leseglück auf „Bookstagram“ eine verkitschte Idee von Literaturrezeption transportiert, die Bücher zu Lifestyle-Staffage verzwergt.

Natürlich können (Literatur-)Karrieren durch eine hässliche Art Social-Media-Ruhm begünstigt werden: ein Ruhm, der auf Aufmerksamkeitsgerassel um wirklich jeden Preis beruht, auf Rücksichtslosigkeit und der Ausbeutung von Ideen anderer. Und natürlich sind Jugend und Schönheit Verkaufsargumente. Nur sollte man dieses Problem zuallererst mit denen am fetten Ende der Verwertungskette besprechen.

Sogar über die einzige inhaltliche Kritik von Läubli ließe sich reden. In den Büchern von Brand, Schumacher und Kobler stehe nicht das Sprachexperiment im Vordergrund, „sondern der Versuch, eine Story ansprechend zu erzählen“. Dass wahnsinnig tolle Jour­na­lis­t:in­nen im Glauben, ihr Reportagegeschick befähige sie zu Höherem, oft wahnsinnig mittelmäßige Bücher schreiben – auch das wäre ein Thema für einen ganz anderen, vielleicht lohnenswerten Text.

Aber einer, für den man aus den jeweiligen Romanen gewonnene Argumente bräuchte. Kriegt man die nicht zusammen, generiert Kritik keine Debatte, sondern letztlich nur: Aufmerksamkeit. Hoppala!

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