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Autorin über häusliche Gewalt„Im Widerstand gegen das Schweigen“

Aus wissenschaftlicher, aber auch ganz persönlicher Perspektive erzählt Barbara Peveling, warum häusliche Gewalt uns alle betrifft.

Häusliche Gewalt: Es braucht mehr Aufklärung in der Gesellschaft Foto: dpa / Robert Michael
Interview von Franka Ferlemann

taz: Frau Peveling, inwieweit fließt Ihre eigene Biografie in Ihr neues Buch zur häuslichen Gewalt?

Barbara Peveling: In dem Buch geht es um meine Geschichte aus meiner Kindheit und den Gewalterfahrungen in der Familie, die ihren Höhepunkt in dem Selbstmord meines Vaters fanden. Und wie sich diese Erfahrung aus meinem Leben weiter fortgesetzt und dazu geführt hat, dass ich immer wieder Gewalterfahrungen in heteronormativen Geschlechterbeziehungen gemacht habe. Davon erzähle ich in blitzartigen Einblicken und verbinde das mit soziologischen und ethnologischen Theorien.

taz: Woher nehmen Sie den Mut, so offen mit Ihren eigenen Gewalterfahrungen umzugehen?

Edition Nautilus
Im Interview: Barbara Peveling

geboren 1974, ist promovierte Ethnologin und Journalistin. Jüngste Veröffentlichung: „Gewalt im Haus. Intime Formen der Dominanz“ (Edition Nautilus, Hamburg 2024, 320 S., 22 Euro; E-Book 17,99 Euro. Peveling lebt bei Paris und in Köln.

Peveling: Das schaffe ich durch meinen französischen Einfluss. Ohne den hätte ich das Buch nicht schreiben können. In Frankreich gibt es immer mehr Frauen, die ihre Geschichte als Betroffene öffentlich machen. So wie Gisèle Pélicot im Avignon-Prozess: Was sie gerade macht, ihre eigene Vergewaltigung öffentlich zu machen, das ist ein wahnsinniger Leidensweg. In Frankreich besteht ein Widerstand gegen die Scham der Betroffenen. Das hat mich getragen.

taz: Und das ist in Deutschland anders?

Peveling: Absolut. Es gibt da noch einen großen Unterschied, was die Scham und das darüber Sprechen betrifft. Das was Pélicot macht, ist in Deutschland noch undenkbar. Hier haben wir kaum Stimmen von Betroffenen.

taz: Woran liegt das denn?

Peveling: Das liegt an der Schweigekultur. Frauen werden zum Schweigen gebracht. Pélicot hat den Begriff geprägt: „Die Scham muss die Seiten wechseln.“ In Deutschland liegt die Scham noch bei den Betroffenen. Das System des Widerstands ist noch nicht gebrochen. Wir brauchen mehr Stimmen, die sich äußern und diese müssen ernster genommen werden. Das sieht man auch an der Rammstein-Affäre. Männer müssen Frauen da auch mehr unterstützen, anstatt das als Männerhass abzutun.

taz: Das würde ja nicht zuletzt auch Männern helfen. Wie Sie schreiben, betrifft Gewalt uns alle.

Peveling: Ja, auch der Dominierende unterwirft sich nach Foucault den Gesetzen der Dominanz. Gewalt ist eine Form dieser männlichen patriarchalen Dominanz. Die hat eine gewisse Banalität, weil wir sie alle akzeptieren. Der unterwerfen sich auch Männer: Auch sie haben Druck, dass sie den gesellschaftlichen Anforderungen an ihre Rolle gerecht werden. Wenn sie daran scheitern, werden sie oft gewalttätig – gegen andere oder gegen sich selbst. Das ist auch mit meinem Vater passiert.

taz: Wie können wir diese Strukturen der Dominanz überwinden?

Peveling: Indem wir heteronormative Beziehungsmuster, Dominanzbeziehungen und Rollenmuster hinterfragen. Schon in den Erwartungen dieser Rollen steckt Gewalt.

taz: Haben Sie da Hoffnung?

Peveling: Ja. Weil es ganz tolle Menschen gibt, die sich für Veränderungen engagieren. Wie zum Beispiel Asha Hedayati, die mit mir auftreten wird.

taz: Als Rechtsanwältin für Familienrecht und Autorin weiß sie, wie staatliche Strukturen Frauen allein lassen.

Peveling: Genau diese Stimmen müssen gehört werden. Und die sind im Moment total laut. Aber gerade machen andere die Arbeit, die eigentlich die Regierung machen müsste. Es braucht mehr Fortbildungen in den Beratungsstellen und Aufklärung in der Gesellschaft, damit Betroffene den Mut haben, mehr an die Öffentlichkeit zu gehen.

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