Autor Andrea Camilleri ist tot: Die Rente war keine Option
Er starb mit 93, war bis zuletzt aber eine wichtige Stimme Italiens: Das Land verliert viel mehr als einen gefeierten Schriftsteller.
„Montalbano stirbt nicht, und er geht auch nicht in Rente.“ Klare Ideen hatte Andrea Camilleri, wenn er nach der Zukunft seiner weltberühmten Kunstfigur, des sizilianischen Kommissars Montalbano, gefragt wurde. Schließlich hatte er selbst es genauso gehalten, wenigstens im Punkt Rente.
Denn zum literarischen Star wurde Camilleri erst in einem Alter, in dem andere sich zur Ruhe setzen. Er war 68, als im Jahr 1994 „Die Form des Wassers“, der erste von am Ende mehr als 40 Montalbano-Krimis, erschien, zu denen an die 60 weitere Titel, vorneweg in Sizilien angesiedelte historische Romane, kamen.
Vorher musste man Camilleri wohl als glücklosen Literaten bezeichnen. Sein erster Titel wird 1978 von gleich zehn Verlegern abgelehnt, als er dann doch erscheint, bleibt es bei einer Miniauflage. Derweil verdient Camilleri im Staatssender RAI sein Geld, betreut dort fürs TV inszenierte Theaterstücke, schreibt selbst Drehbücher.
Doch dann erfindet er seinen Kommissar – dessen Name eine Hommage an Manuel Vázquez Montalbán darstellt –, mit dem er weltweit eine Auflage von über 30 Millionen erreicht. Montalbano ermittelt im sizilianischen Vigata, in dem unschwer Camilleris Heimatstadt Porto Empedocle zu erkennen ist.
Warum Camilleri manchmal schlecht wurde
Abgeklärt ist der Fahnder, aber kein bisschen zynisch, er liebt das gute Essen, er bewundert schöne Frauen. „Da habe ich meine Leidenschaften ausgelebt, auf die ich als alter Mann verzichten muss“, gestand der Autor in einem Gespräch vor Jahren dem taz-Korrespondenten.
Doch Camilleri war nicht nur ein höchst erfolgreicher Autor, er war auch eine wichtige Stimme in Italiens Zivilgesellschaft. Er, der noch in den Mussolini-Jahren zum Kommunisten geworden und immer stramm links gewesen war, der noch 2014 fürs Eeuropäische Parlament kandidieren wollte, auf der Liste Tsipras’, stellte sich immer wieder gegen Silvio Berlusconi und zuletzt gegen Matteo Salvini.
Noch im letzten Juni erklärte er, Salvini bringe ihn „zum Erbrechen“, weil der auf seinen Kundgebungen immer wieder mit dem Rosenkranz hantierte.
Camilleri starb, mit 93 Jahren, gestern in einer Klinik in Rom. Demnächst erscheint der letzte Montalbano-Roman – der Autor hatte verfügt, ihn erst postum auflegen zu lassen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!