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Autonomie für KorsikaDialog statt Bomben

Korsikas Parlament stimmt für ein Statut, das den Weg für eine Autonomie ebnen könnte. An Kritikern mangelt es nicht. Ob Paris zustimmt, ist offen.

Korsisches Graffiti in Bastia: „Volk, wach auf“ Foto: abacapress/imago

Paris taz | Das korsische Parlament, die „Assemblée de Corse“, hat am Mittwochabend einen Verfassungstext gutgeheißen, der die Anerkennung der Mittelmeerinsel mit ihren historischen, kulturellen und sprachlichen Besonderheiten innerhalb der französischen Republik vorsieht. Das ist ein erster Schritt auf dem institutionellen Weg zu einer Autonomie, die den Korsen von Staatspräsident Emmanuel Macron im September 2023 in Aussicht gestellt worden war.

Ein Dialog dazu hatte bereits vorher begonnen, im Anschluss an Demonstrationen wegen des Tods des korsischen Nationalisten Yvan Colonna. Er war bei einem Angriff eines Mithäftlings in einem Gefängnis tödlich verletzt worden.

Dort verbüßte er eine lange Haftstrafe wegen seiner Beteiligung an einem mörderischen Attentat gegen den französischen Polizeipräfekten im Jahr 1998. Die Strafvollzugsbehörden hatten sich vorher geweigert, Colonna vom Festland in eine Haftanstalt auf der Insel zu überstellen. Sie wurden deswegen beschuldigt, am Tod des korsischen Nationalisten mitschuldig zu sein.

Nach längeren Vordiskussionen einigten sich die korsischen Autonomisten, die seit 2015 eine Mehrheit in den regionalen Institutionen haben, mit Innenminister Gérald Darmanin auf ein Verfahren und einen Text, der ein Autonomiestatut für Korsika in der Verfassung der französischen Republik verankern soll. Nach der Verabschiedung durch die korsische Assemblée soll der Verfassungszusatz zuerst einer lokalen Volksabstimmung auf Korsika (rund 340.000 Einwohner) und danach den beiden nationalen Parlamentskammern in Paris unterbreitet werden.

Einzigartige Bindung

Im Text wird explizit die Existenz einer „historischen, sprachlichen und kulturellen Inselgemeinschaft erwähnt, die im Verlauf der Jahrhunderte eine einzigartige und enge Bindung zu Korsika entwickelt hat“. Vorgesehen ist aber auch, dass die Inselbehörden in Zukunft gewisse Normen anpassen und gewisse gesetzgeberische Kompetenzen sowie eine beschränkte Steuerhoheit erhalten könnten.

Ein spezielles Anliegen der Autonomisten wurde jedoch nicht klar berücksichtigt: der Schutz der Einheimischen vor Immobilienspekulation. Die korsische Sprache wird verstärkt gefördert, jedoch nicht als Amtssprache anerkannt.

Der radikalste Flügel der korsischen Separatisten sieht darum in diesem in Ajaccio mit einer breiten Mehrheit akzeptierten Kompromiss nur eine Teilautonomie, „nichts Historisches“, wie der Anwalt Jean-Guy Talamoni, ein Ex-Vorsitzender der Assemblée de Corse, meint. Er erachtet das Ergebnis des Dialogs mit der Zentralmacht als „ungenügend“.

Aus anderen Gründen stimmte ein Teil der rechten Opposition in Korsika gegen das Statut. Sie sehen in der Übertragung von fiskalischen Kompetenzen ein Risiko. Ungewiss ist auch, ob namentlich der französische Senat mit seiner konservativen Mehrheit dem Statut zustimmt. Senatspräsident Gérard Larcher ist gegen jedes Zugeständnis an Regionen bei der Gesetzgebung. Diese müsse ausschließlich in der Hand des nationalen Parlaments bleiben.

Die Gralshüter des Zentralismus, die sich allen regionalistischen Bestrebungen widersetzen, sind zahlreich in Paris vertreten. Deswegen ist fraglich, ob die zum Kongress vereinten Parlamentskammern, die Abgeordneten der Nationalversammlung und des Senats, mit der erforderlichen Dreifünftelmehrheit der Verfassungsänderung zustimmen werden. Diese Änderung soll Korsika nach jahrzehntelangen Konflikten mit Attentaten und staatlicher Repression zwar nicht die erträumte Unabhängigkeit, aber wenigstens eine gewisse Autonomie verleihen.

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