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Automesse IAA in MünchenNicht mehr der richtige Gegner

An der Autoindustrie gibt es viel zu bemängeln. Aber die Kri­ti­ke­r*in­nen sollten auch zur Kenntnis nehmen, wie viel sie mit ihrem Protest schon erreicht haben.

Es geht nicht mehr nur ums Auto: Fahrradteststrecke auf der diesjährigen IAA in München Foto: Sven Hoppe/dpa

D ie Kri­ti­ke­r*in­nen der IAA können stolz sein: Mit den Protesten gegen die Automesse haben sie erfolgreich dafür gesorgt, dass die schlechte Klimabilanz des Verkehrs die Aufmerksamkeit bekommt, die sie verdient: Der CO2-Ausstoß ist in diesem Sektor in den letzten zehn Jahren trotz technischer Fortschritte nicht gesunken, weil immer mehr und immer größere Autos auf den Straßen unterwegs sind. In den Städten muss jeder zusätzliche Meter Radweg oder Busspur mühsam gegen die Autolobby durchgekämpft werden. Und noch immer fließt der Großteil der öffentlichen Verkehrsinvestitionen in die Straße.

Zugleich wird in diesem Jahr aber deutlich, dass die IAA selbst nicht mehr unbedingt der richtige Gegner ist. Denn tatsächlich hat sich mit dem Umzug nach München dort mehr verändert als der Austragungsort: Es geht auf der IAA nicht mehr nur um Autos: Fahr­räder und neue Sharing-Modelle nehmen breiten Raum ein. Und die Autos, die präsentiert werden, sind zum überwiegenden Teil Elektroautos. Und zwar anders als in der Vergangenheit nicht nur Prototypen, die es nie auf die Straße schaffen, sondern Modelle, die es tatsächlich auch zu kaufen gibt.

Natürlich ist die Messe nicht repräsentativ für die Realität, in der die Konzerne derzeit vor allem große, fossil angetriebene Fahrzeuge verkaufen. Aber die Richtung, in die sich die Branche bewegt, ist klar und richtig – und dass Autokonzerne sich völlig vom Automobilbau verabschieden, wie manche Kri­ti­ke­r*in­nen zu erwarten scheinen, ist eine wenig realistische Vorstellung.

Der richtig Ansprechpartner für die Kritik sind darum inzwischen weniger der Hersteller als die Politik. Denn dort geht das Umdenken deutlich langsamer vonstatten. Während die meisten Konzerne längst verstanden haben, dass die Zukunft des Pkws rein elektrisch sein wird, redet man vor allem in Union und FDP weiter von „Technologieoffenheit“ und synthetischen Kraftstoffe, um am Verbrennungsmotor festzuhalten. Und während Tempolimit und weniger Autos in den Innenstädten in der Politik teils noch auf heftigen Widerstand stoßen, erklärt der VW-Chef in München, mit beidem kein Problem zu haben.

Es gibt verkehrspolitisch also noch viel zu tun. Die IAA ist in diesem Jahr aber eher ein Beispiel dafür, was schon erreicht wurde.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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8 Kommentare

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  • Ich habe bis jetzt immer selbst entschieden, welches Auto ich kaufe, Polo 3L war schön. Es ist in der Wirtschaft nun mal so, dass die Hersteller möglichst viel und teuer verkaufen wollen. Die Verbraucher haben doch eine Entscheidung. Das Problem wird nicht durch Elektromobilität anders. Energiesparen muss das Ziel sein. Es gibt zum Sinn einzelner Lösungen sehr unterschiedliche wissenschaftliche Einschätzungen. Der E-Hybrid wurde als ökologische Lösung gepriesen, dabei ist er speziell wegen der "unangepaßten" Messmethoden scheinbar sparsam. Mir fehlt da die Positionierung der Umweltverbände. Die DUH darf natürlich nichts dagegen sagen, solange sie von Toyota gesponsert wird.

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    Richtig und falsch sind bezüglich der Komplexität des Themas nur schwer anwendbare Kategorien.



    Ohne eine gemeinsame, gesellschaftliche Anstrengung und die Erarbeitung einer (teilweise neuen?) Zielsetzung bleibt Alles bei dem alten, wissenschaftlich bereits seit den 1990er Jahren beschriebenen Crashkurs.



    Das wäre tatsächlich falsch.

  • „ Denn dort geht das Umdenken deutlich langsamer vonstatten. Während die meisten Konzerne längst verstanden haben, dass die Zukunft des Pkws rein elektrisch sein wird, redet man vor allem in Union und FDP weiter von „Technologieoffenheit“ und synthetischen Kraftstoffe, um am Verbrennungsmotor festzuhalten.“

    Naja. Irgendwo muss zukünftig der überschüssige Strom aus den ertragsstarken Zeiten der EE halt hin. Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe sind der Versuch den technischen Großspeicher (der derzeit halt noch fehlt) doch noch irgendwie hinzubekommen. Nur dann müssen die synthetischen Kraftstoffe ja wieder irgendeiner sinnvollen Nutzung zugeführt werden…

    Btw. Wer glaubt die Elektromobilität sei eine globale Lösung irrt sich. Synthetische Kraftstoffe werden wohl die einzige Möglichkeit sein die Mobilität auch in Entwicklungsländern oder dünn besiedelten Gebieten zu dekarbonatisieren.

    Die synthetischen Kraftstoffe per se zu verteufeln ist halt auch wieder nur Dogmatismus…

    • @Nafets Rehcsif:

      Einbremsen bitte. Er hat synthetische Kraftstoffe nicht "per se verteufelt", wie du schreibst, sondern nur gesagt, dass Union und FDP darüber reden, um am Verbrennungsmotor festzuhalten". Dass Elektromobilität keine globale Lösung ist gebe ich dir 100% Recht. Und da können synthetische Kraftstoffe helofen.

  • M. Kreutzfeldt beschwört eine Dualität von (parteipolitischer und kommunaler) Verkehrspolitik und (Kfz-) Industriepolitik, die es in Deutschland nicht gibt.

    Das zeigt u.a. der Kampf um noch jeden cm Schulradweg, der von Elterinitiativen gegen die örtlichen (Kommunal-) Parteien und gegen die (den Kommunen kaum 'Schlupflöcher bietende) StVO geführt werden muss - oft vergeblich.

    Der Kampf um die Mobilitäts-Sozialisation der Kinder (auch kurze Strecken im Auto versus Erwerb eines aktive- Mobilität-Habitus) zeigt schlaglichtartig den totalitären Anspruch des von der IAA abgefeierten Systems 'Auto' bis in die kleinste kommunalpolitische Nische hinein.

    P.S. Join your local Kidical Mass!

    Am nächsten Wochenende findet die bundesweite 'Kidical Mass' unter dem Motto 'Sichere Schulradwegnetze' in über 130 deutschen Städten statt.

  • Wow! Vielen Dank Malte. Das ist journalistisch das wahrscheinlich beste, was ich bisher zum Thema IAA gelesen habe. Und ich hab viel gelesen, weil mich das Thema und auch die Proteste und die Kommunikation dazu beschäftigen - als Münchner, als Kommunikationswissenschaftler, als Klimaschützer, als Mobilitäts- und vor allem als Lösungsinteressierter. Und Lösungen waren ja nicht so das Thema der Gegner, weder der Demonstrierenden, noch der redaktionellen Berichterstattung, die taz leider eingeschlossen. Konfrontation, Polizeigewalt, Bruch mit dem Kapitalismus waren das Thema. Verständlich, dass klientelorientierter Journalismus besser ankommt als ausgewogener, gerade wenn man die Kommentare meiner Vorredner_innen liest. Mein Vorschlag: Nehmt Malte's Kommentar das Etikett "Kolumne" weg, weil es ist ehrlicherer ausgewogener Journalismus als so manch anderer Bericht über die IAA. Fügt das Label "Meinung" stattdessen im Sinne der Transparenz besser an Artikel von Autoren an, die als Aktivist_innen mitgemacht haben und ihre Meinung oder zumindest ihre aus diesem Verhalten resultierenden Erlebnisse als journalistische Berichterstattung zum Thema Klimaschutz darstellen. Freiheitliche Demokratie funktioniert nur mit transparentem unabhängigem Journalismus.

  • Der Individualverkehr in Verbindung mit einer Konsumindustrie ist halt ein grundsätzliches Problem und steht einer Mobilität für alle im Weg. Klar sind E-AUTOS besser als Verbrenner aber auch keine Optimale Lösung. Hätte nicht gedacht, Artikel in der TAZ zu lesen, die die Autoindustrie verteidigen. Und selbst, wenn es nicht der 100% richtige Ort für Demos wäre, was soll's?

  • Nicht mehr der richtige Gegner? Wenn man das denkt, ist man dem Greenwashing der Autolobby schön auf den Leim gegangen. Den Umbau und die daraus resultieren Profite für die Industrie zahlen wir nämlich schön mit Steuern. Ich empfehle dringend die Lektüre von Annika Joeres Klimaschmutz-Lobby.



    Korreliert schön mit aktuellen Spendenflüssen der Quandts, Klattens u.v.m. an CDU und FDP (offizielle Veröffentlichung durch den Präs des BT Schäuble)