Auszeit vom Parlament: Kinder und die Macht
Grünen-Fraktionschefin Silke Gebel vermisst eine Parlaments-Elternzeit und fordert Verbesserungen. Hildegard Bentele (CDU) lehnt das ab: Das sei kein Job wie jeder andere.
Sie haben Auskunftsrechte, sie genießen Immunität – aber was sie nicht haben, ist ein Anspruch auf Elternzeit: Weibliche Abgeordnete im Berliner Landesparlament haben genauso wenig wie ihre männlichen Kollegen einen Anspruch auf jene bis zu dreijährige Auszeit, die selbst ihren eigenen Mitarbeiterinnen zusteht.
Grünen-Fraktionschefin Silke Gebel, die nach den Herbstferien nach Geburt ihres dritten Kindes im Juli erstmals wieder an einer Plenarsitzung teilnehmen will, fordert darum: „Frauen müsste mehr Regenerationszeit erlaubt sein.“ Die CDU-Abgeordnete Hildegard Bentele, ebenfalls Mutter, sieht das anders: Die Parlamentsmitglieder hätten viel Flexibilität, beides zu verbinden: „Elternzeit wäre eine übertriebene Forderung.“
Mutterschutz gibt es auch im Parlament – sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt –, aber das ist es dann auch. Nur in dieser Zeit ahndet die Parlamentsverwaltung verpasste Sitzungen nicht, die ansonsten säumigen Mitgliedern bei unentschuldigtem Fehlen die Abgeordnetendiät kürzt.
Elternschaft gilt nicht als Entschuldigungsgrund, es sei denn, es liegt ein ärztliches Attest vor. Angesichts von 3.840 Euro monatlicher Grundentschädigung für die Mitglieder des Landesparlaments gelten die Strafen mit 50 Euro pro verpasster Plenarsitzung und 25 Euro pro Ausschusssitzung jedoch als verschmerzbar.
Moralischer Druck
Größer ist der moralische Druck, unter dem die Abgeordneten stehen: Fachlich mag sich in der jeweiligen Fraktion noch Ersatz organisieren lassen. Bentele, die ihre beiden Kinder 2013 und 2015 bekam, und auch ihre Kolleginnen Derya Çağlar (SPD) und Maren Jasper-Winter (FDP), die wie die Grüne Gebel dieses Jahr entbunden haben, berichten von viel Unterstützung.
Wie gut die Vertretung in der Fraktion klappt, hängt allerdings auch von den Zufällen des Wahlausgangs und von der Listenaufstellung ab. „Wenn man wie eine gut aufgestellte Fußballmannschaft alle Positionen doppelt besetzen kann, ist das kein Problem“, sagt der Grünen-Abgeordnete Benedikt Lux, seit 2006 im Parlament und seither viermal Vater geworden. Doch sein Fachgebiet etwa, die Innen- und Rechtspolitik, ist ausgedünnt, seit 2017 zwei erfahrene Kollegen in den Bundestag wechselten. Da war Lux trotz jüngster Zwillings-Vaterschaft Ende 2017 stark gefragt.
Eine Herausforderung ist die Vertretung in Sitzungen vor allem für die FDP-Fraktion: Sie ist mit zwölf Mitgliedern die kleinste im Abgeordnetenhaus, die SPD-Fraktion ist mehr als dreimal so groß. „Ich bin wirklich stolz, dass die Kollegen das ohne Murren gemacht haben“, sagt FDP-Frau Jasper-Winter.
Schwierige Wahlkreispflege
Schwierig ist auch die Wahlkreispflege, sich also um die zu kümmern, die ihre Stimme bei der Abgeordnetenhauswahl mit der Hoffnung auf viel Präsenz des oder der Abgeordneten verbanden. Einen stellvertretenden Wahlkreissieger gibt es nicht – vor allem, weil der Zweitplatzierte bei der Wahl ja einer anderen Partei angehört.
„Wenn ich Termine in meinem Wahlkreis nicht wahrnehmen konnte, war das nicht schön für mich“, erinnert sich Çağlar, die im Januar zum zweiten Mal Mutter wurde und am 17. Mai erstmals wieder an einer Plenarsitzung teilnahm.
Für Çağlar ist es wie für Jasper-Winter die erste Wahlperiode. Eine komplette Auszeit habe sie nicht gehabt, auch wenn sie auf Sitzungen im Parlament verzichtete. „Ich war eigentlich immer im Geschäft“, sagte Çağlar. Schon im Februar habe sie wieder Anfragen via E-Mail bearbeitet.
Jasper-Winter sieht darin, dass Abgeordnete nicht angestellt sind, durchaus einen Vorteil: „Wir sind so nicht verpflichtet, von 9 bis 18 Uhr am Schreibtisch zu sitzen oder irgendwo zu erscheinen.“ Die Aufgabe bestehe darin, selbst zu gestalten, wie alles funktioniert. „Ich fühle mich nicht unterprivilegiert“, sagt Jasper-Winter auf eine entsprechende taz-Frage angesichts des nicht vorhandenen Anspruchs auf Elternzeit.
Kinderbetreuung im Parlament
Sie nutzte wie die SPD-Abgeordnete Çağlar die Kinderbetreuung, die das Parlament während der Plenarsitzungen anbietet. Außerdem sei es gut zu wissen, im Abgeordnetenhaus nicht – wie jüngst in Thüringen passiert – des Saals verwiesen zu werden, wenn sie in dringenden Fällen das Kind mit in den Plenarsaal bringe: „Das hat mir sehr viel Ruhe und Sicherheit gegeben“, sagt Jasper-Winter.
Auch Bentele nahm ihre Kinder schon mal in Ausschusssitzungen mit, betrachtet das aber als Ausnahme: „Ich sehe das schon so, dass ein Parlament kein geeigneter Ort für kleine Kinder ist.“ Unterm Strich hält die CDU-Abgeordnete eine Art Parlaments-Elternzeit, wie von der Grünen Gebel gefordert, nicht für sinnig.
„Es ist kein Job wie jeder andere, insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Abgeordnetenhaus ein Teilzeitparlament ist“, sagt sie, „es ist anstrengend, aber wenn man die Möglichkeiten intelligent nutzt, kann man beides gut miteinander verbinden.“
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