Auswirkungen der Inflation: Kaufkraftverlust trifft die Armen
Rentner haben unterdurchschnittlichen Kaufkraftverlust erlitten. Doch über ein Drittel hat keine Rücklagen, um höhere Preise auszugleichen.
Allerdings gibt es bei beiden Gruppen eine große Gemeinsamkeit. „Haushalte mit niedrigen Einkommen waren im Jahr 2023 stärker inflationsbetroffen“, sagt Forscher Maximilian Stockhausen, „dies gilt auch für einkommensschwache Rentnerhaushalte“. Diese Woche soll das Rentenpaket II nach langem Streit um den Haushalt und die Schuldenbremse auch noch einmal im Thema im Kabinett der Bundesregierung sein.
Ein tieferer Blick in die Analyse zeigt einige Unterschiede im Konsumverhalten. Die Einbußen durch die Teuerung der vergangenen beiden Jahre liegt bei allen Bevölkerungsgruppen im Durchschnitt auf einem ähnlichen Niveau von gut 8 Prozent im Jahr 2022 und knapp 6 Prozent im letzten Jahr. Rentnerhaushalte sind vom Anstieg der Energiepreise und der Nahrungsmittel besonders stark getroffen. „Rentner bleiben eher zuhause und heizen mehr“, erklärt DRV-Experte Martin Beznoska den Unterschied. Bei den übrigen Haushalten schlugen dagegen auch Preissteigerungen bei der Mobilität stark zu Buche.
Im Vergleich zwischen 2018 und 2023 stehen die Rentnerhaushalte auch bei der Einkommensentwicklung etwas besser da als andere. Das durchschnittliche Haushaltseinkommen stieg in dieser Zeit um 17,6 Prozent auf 2.962 Euro. Dieser Wert beinhaltet alle Einkünfte, also auch durch Kapitalerträge oder Wohngeld. Trotz der Steigerung liegen die Einkommen der Rentnerhaushalte aber deutlich unter denen von Vergleichsgruppen. Pensionäre konnten einen Zuwachs um gut 16 Prozent auf durchschnittlich 5.914 Euro verbuchen, alle sonstigen Haushalte nahmen 16,8 Prozent mehr und damit 4.674 Euro im Monat ein.
Soziale Ungleichheit auch bei Rentnern groß
Allerdings sind die Unterschiede zwischen den gesetzlich versicherten Rentnern beträchtlich. Die 20 Prozent mit dem geringsten Haushaltseinkommen konnten sich zwar über einen Einkommenssteigerung um fast 20 Prozent freuen. Doch mit 1.348 Euro Einkommen im Monat reicht es bei ihnen nur knapp zum Leben. Die reichsten 20 Prozent der Rentnerhaushalte verfügen aktuell über 5.594 Euro monatlich, 16,6 Prozent mehr als 2018.
Nach Einschätzung der Wissenschaftler haben auch staatliche Sozialprogramme dafür gesorgt, dass gerade Rentnerhaushalte von der Inflation weniger getroffen wurden als andere. Dazu zähle der Energiekostenzuschuss von 300 Euro im Dezember 2022. Da Haushalte mit höheren Einkommen den Zuschuss versteuern mussten, profitierten viele Rentner besonders stark davon. Auch die Erhöhung des Wohngelds kommt vor allem den Rentnern zugute. Sie stellen fast die Hälfte der Wohngeldbezieher. Die durchschnittliche Höhe des Wohngelds verdoppelte sich 2023 auf maximal 370 Euro.
Doch eine anhaltend hohe Inflation würde das Bild wohl deutlich eintrüben. Denn die finanziellen Spielräume vielen Rentnerhaushalte reichen zum Ausgleich von Preissteigerungen nicht aus. Vor fünf Jahren gaben sie knapp 95 Prozent ihres Einkommens für den Konsum aus. Mit der Inflation stieg der Anteil der Konsumausgaben von mehr als 96 Prozent. Zum sparen bleibt da kaum etwas übrig. Und der Anteil der Rentnerhaushalte, die mehr ausgeben als sie einnehmen, ist von fast 28 Prozent auf 30 Prozent angewachsen. Das heißt, hier wird vorhandenes Sparvermögen aufgebraucht. Bei den Haushalten von Erwerbstätigen muss nur jeder fünfte die Reserven anzapfen.
Bei den Vermögen stehen Rentnerhaushalte etwas besser da als die von Erwerbstätigen. 2018 konnte der durchschnittliche Haushalt von Rentnern auf 60.200 Euro zurückgreifen, rund 12.000 Euro mehr als der von Erwerbstätigen. Pensionäre verfügten im Mittel mit 265.100 Euro über deutlich höhere Besitztümer. Immobilien sind in diesen Werten enthalten, auch sie sich nicht ohne weiteres verkaufen lassen, wenn es an Geld mangelt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Frauenfeindlichkeit
Vor dem Familiengericht sind nicht alle gleich