Ausweitung des Euro-Rettungsschirms: EFSF-Abweichler in der Union
Erste Unions-Abgeordnete haben angekündigt, gegen die Neuregelungen des Euro-Rettungsschirms zu stimmen. SPD und Grüne sprechen von chaotischem Krisenmanagement.
BERLIN dpa/dapd/rtr | Die neue Bundestagsabstimmung über die Erweiterung des Euro-Rettungsschirms könnte zur Zitterpartie für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) werden. Mehrere Kritiker in der Unionsfraktion haben angekündigt, bei der Entscheidung an diesem Mittwoch gegen den geplanten Kredithebel für den Rettungsfonds zu stimmen. SPD und Grüne haben sich noch nicht festgelegt, ob sie den Plan unterstützen. Die Sozialdemokraten pochen darauf, dass Merkel in jedem Fall eine Kanzlermehrheit erreichen müsse.
Die Bundestagsfraktionen beraten am Montag in Berlin über die geplante Erweiterung. Merkel will sich am Mittwoch mit der Abstimmung im Bundestag ein klares Mandat für die entscheidenden Verhandlungen in Brüssel holen, bei denen der EFSF mit einer höheren Schlagkraft ausgestattet werden soll. Die CDU-Abgeordneten Wolfgang Bosach und Klaus-Peter Willsch kündigten an, die Neuregelungen im Bundestag abzulehnen. Sie hatten bereits Ende September gegen die Erweiterung des Rettungsschirms auf 440 Milliarden Euro gestimmt.
"Ich werde wieder mit Nein stimmen, denn alle diese Maßnahmen helfen nicht, das Problem auf Dauer zu lösen", sagte der CDU-Innenexperte WolfgangBosbach der "Rheinischen Post" (Dienstagausgabe). Bosbach forderte Griechenland zum Austritt aus der Eurozone auf. "Zudem steigt durch den Kredithebel das Risiko der Inanspruchnahme deutscher Kreditbürgschaften", sagte er. Willsch fürchtet, dass durch den geplanten EFSF-Hebelmechanismus das Risiko von Zahlungsausfällen gewaltig steigen werde. Damit würde sich die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Deutschland mit seiner Haftungssumme von 211 Milliarden Euro tatsächlich einspringen müsste, sagte er der Nachrichtenagentur dpa.
Der finanzpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Klaus-Peter Flosbach, geht trotzdem davon aus, dass die Regierungskoalition die Abstimmung mit einer eigenen Mehrheit für sich entscheidet. "Ich habe keinen Zweifel, dass die Kanzlermehrheit zustande kommen wird", sagte Flosbach "Handelsblatt Online".
Bei der ersten Abstimmung über die Ausweitung des Rettungsschirms am 29. September hatten Union und FDP zusammen 315 Ja-Stimmen und damit klar die Kanzlermehrheit erreicht. Schwarz-Gelb hat im Bundestag 330 Sitze, die Opposition 290. Insgesamt gehören 620 Abgeordnete dem Parlament an, die Kanzlermehrheit liegt damit bei 311 Stimmen. Um diese Mehrheit zu erreichen, dürfen maximal 19 Abgeordnete von CDU/CSU und FDP gegen den Gesetzentwurf stimmen.
Maue Unterlagen
Der CDU-Abgeordnete Patrick Sensburg sagte dem "Kölner Stadtanzeiger": "Die Unterlagen, die wir bisher gekriegt haben, die sind mau. Ich würde mir wünschen, dass wir dieses Riesen-Konvolut von Papieren so zeitig hätten, dass wir es dann auch studieren könnten." Auch der CSU-Abgeordnete Herbert Frankenhauser wartet vor der Abstimmung zunächst auf eine angemessene Entscheidungsgrundlage. Bislang habe er noch keine Unterlagen über die möglichen Mechanismen des EFSF erhalten, sagte er der dpa. Er gehe davon aus, dass die am Dienstagnachmittag bei der Unions-Fraktionssitzung verteilt und am frühen Abend im Haushaltsausschuss diskutiert werden. Erst dann wolle er seine endgültige Entscheidung treffen. Klar sei für ihn aber: "Mit dem Hebel werde ich nicht zustimmen."
SPD und Grüne warfen ihr deshalb ein chaotisches Krisenmanagement vor. Der finanzpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Gerhard Schick, sagte dem "Handelsblatt", die Beschlüsse der Koalition hätten nur noch kurze Zeit Bestand. "Dass die Abgeordneten in den letzten Wochen über die Vorbereitung der Hebelung getäuscht worden sind, dürfte es nicht leichter machen, nun die eigenen Reihen komplett hinter der Regierungslinie zu versammeln."
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) streite mit den europäischen Partnern über die Ausgestaltung des Euro-Rettungsschirms und sei außen- und innenpolitisch nicht einmal mehr in Grundzügen zu einem planvollen Vorgehen in der Lage.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Social-Media-Verbot für Jugendliche
Generation Gammelhirn
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern