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Ausweisung von DiplomatenStreit zwischen Kanada und Indien eskaliert

Nach der Ermordung eines indischstämmigen Sikh-Separatisten in Kanada 2023 werfen sich beide Regierungen die Verletzung der Souveränität vor.

Mitglieder der Sikh-Gemeinschaft protestieren im September in Lahore, Pakistan Foto: K.M. Chaudary/ap

Mumbai taz | Es ist ein Déjà-vu: Schon vor einem Jahr hatten Indien und Kanada gegenseitig Diplomaten ausgewiesen. Damals sanken die bilateralen Beziehungen auf einen Tiefpunkt, nachdem Premierminister Justin Trudeau erklärt hatte, es gebe „glaubwürdige Beweise“ für eine indische Beteiligung an der Ermordung des Sikh-Aktivisten Hardeep Singh Nijjar im Juni 2023.

Der kanadische Staatsbürger indischer Abstammung, der sich für einen unabhängigen Sikh-Staat in Indien eingesetzt hatte, war in British Columbia erschossen worden. Indien forderte Kanada daraufhin auf, 62 Diplomaten aus dem südasiatischen Land abzuziehen.

Am Montag jetzt ging der Konflikt in die nächste Runde: Je sechs Diplomaten, darunter die Botschafter, werden des jeweiligen Landes verwiesen.

Auslöser sind erneut schwere Vorwürfe aus Ottawa: Laut Kanadas Polizeichef Mike Duheme gibt es Beweise für die Verwicklung der indischen Regierung in Fälle von „Einschüchterung, Belästigung, Erpressung und Nötigung“ von Sikh-Anhängern.

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Indiens Regierung habe „einen fundamentalen Fehler begangen, als sie glaubte, sie könne kriminelle Aktivitäten gegen Kanadier hier auf kanadischem Boden unterstützen, seien es Morde, Erpressungen oder andere Gewalttaten“, sagte Premier Trudeau.

Kanada betont, die territoriale Integrität Indiens zu respektieren, erwarte aber dasselbe von Indien. Delhis Aktivitäten gefährdeten jedoch Kanadas öffentliche Sicherheit. Außenministerin Melanie Joly erklärte, Delhi habe sich nicht kooperativ gezeigt. Deshalb habe man sich zur Ausweisung von Diplomaten entschlossen, die in illegale Aktivitäten verwickelt gewesen seien.

Diese sollen wiederum in Verbindung mit der „Lawrence Bishnoi-Gang“ sein, einer krimininellen indischen Bande, die an dem Mord an Nijjar beteiligt sein soll. Bishnoi hatte sich vorher öffentlich als Gegner Khalistans erklärt. Eine Haltung, die viele Menschen in Indien teilen.

In Indien sorgten die kanadischen Anschuldigungen für Empörung. Das Außenministerium wies sie scharf als absurd zurück. Die Behauptungen seien Teil der politischen Agenda der Trudeau-Regierung, die vor allem auf Stimmenfang ziele. Trudeaus Feindseligkeit gegenüber Indien sei lange bekannt. Das eigentliche Problem sei Kanadas Toleranz gegenüber Pro-Khalistan-Aktivisten, die dort frei agieren könnten.

„Es handelt sich um einen Hinterhalt von Amerikanern und Kanadiern“, zitiert die Zeitung Indian Express eine hochrangige Quelle. Auch in der indischen Öffentlichkeit wird Kanada zunehmend negativ wahrgenommen.

Trotzdem blieben die Beziehungen zwischen Indien und Kanada bisher eng. 2023 belief sich der bilaterale Handel auf 7,65 Milliarden ­US-Dollar. Rund 40 Prozent der internationalen Studierenden in Kanada kommen aus Indien. Auch gibt es im Land eine indische Diaspora von 1, 8 Millionen Menschen, darunter knapp 800.000 Sikh, die dort ihre größte Gemeinde außerhalb Indiens haben. Doch Sanktionen scheinen nicht ausgeschlossen.

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