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Australischer Aktivist in GroßbritannienTrenton Oldfield darf bleiben

Er kam in den Knast, weil er beim Oxford-Cambridge-Bootsrennen gegen Elitismus protestierte. Dann drohte ihm auch noch die Abschiebung.

Trenton Oldfield und seine Frau Deepa Naik am Tag, an dem er zu sechs Monaten Haft verurteilt wurde. Bild: imago / United Archives International

Trenton Oldfield wird doch nicht nach Australien abgeschoben. Der 37-jährige Aktivist hatte am Montag laut der Tageszeitung The Guardian bei einer Anhörung vor einem Londoner Immigrationsgericht Erfolg mit seinem Einspruch gegen eine Verfügung der britischen Innenministerin Theresa May.

Das Innenministerium hatte ihm im Juni diesen Jahres die Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung verweigert, mit der Begründung, sein Verbleib im Königreich würde „nicht dem öffentlichen Interesse“ entsprechen.

Dass der Stadtforscher und Kleinverleger vom britischen Staat zur unerwünschten Person erklärt worden war, ist Oldfields spektakulärer Protestaktion gegen Elitismus und Ungleichheit vom April 2012 geschuldet. Für sie hatte er sich ausgerechnet das alljährlich stattfindende Bootsrennen der Uni-Teams von Oxford und Cambridge auf der Themse ausgesucht. Oldfield schlüpfte in einen Neonprenanzug und schwamm ins Fahrwasser der beiden Achter. Der Wettbewerb musste für 25 Minuten unterbrochen werden. Die Bilder, die Oldfields Kopf aus dem Fluss ragend zeigten, gingen um die Welt. Polizisten zogen ihn an Bord ihres Bootes und nahmen ihn vorübergehend in Gewahrsam.

Hohe Strafe für zivilen Ungehorsam

Schon die Strafverfolgung gegen ihn wegen dieser Aktion zivilen Ungehorsams rief den Unmut von Bürgerrechtlern hervor. Zunächst wurde wegen ordnungswidrigen Verhaltens gegen ihn ermittelt. Regierungsmitglieder drängten die Sicherheitsbehörden aber schließlich dazu, Oldfields Protest als weitaus schwerwiegendere Störung der öffentlichen Ruhe einzustufen – auf der Grundlage des jahrhundertealten „Public Nuisance Act“. Mit der Verschärfung des Tatbestands wollte man damals ein Exempel statuieren. Die Olympischen Spiele standen kurz bevor und man befürchtete, Oldfield könnte Nachahmer finden.

Der Staatsanwalt forderte vier Jahre Gefängnis, die Richterin verurteilte Oldfield Ende Oktober 2012 zu einer halbjährigen Haftstrafe, von der er sieben Wochen absaß. In linken wie liberalen Medien, die Oldfields Aktion durchaus kritisch gegenüber standen, wurde diese Entscheidung als Repression gegen friedlichen Protest in Zeiten einer harschen Sparpolitik durch die konservativ-liberale Regierung verstanden. Die Verweigerung der Aufenthaltsverlängerung ein halbes Jahr später passte da nur zu gut ins Bild.

Anwältin Stephanie Harrison, die Oldfield vor dem Immigrationsgericht vertrat, hatte vor der Verhandlung gesagt, ihr sei kein Fall in Erinnerung, bei dem der Aufenthaltsstatus eines zu sechsmonatiger Haft Verurteilten am „öffentlichen Interesse“ gemessen worden sei. Die Entscheidung der Behörden sei unverhältnismäßig. Harrison verwies in ihrer Verteidigung auf Artikel 8 der Europäischen Konvention für Menschenrechte, die das Recht auf Familienleben garantiert. Trenton Oldfield ist mit einer indischstämmigen Britin verheiratet und Vater einer fünf Monate alten Tochter - ebenfalls mit britischem Pass.

Nach dem Richterspruch erklärte Harrison, dieser weise auf eklatante Fehler in den Entscheidungsprozessen des Innenministeriums hin. Oldfields Fall habe gezeigt, dass Theresa May „lediglich auf einen Aspekt ihrer Verantwortlichkeit fokussiert ist“.

100 Zeugnisse für nützliches Engagement

Oldfield wurde vom Bündnis Defend the Right to Protest unterstützt, das eine Petition gegen seine Ausweisung an die britische Regierung lancierte. Mitglieder des Bündnisses protestierten auch am Montagmorgen vor dem Gebäude, in dem die Anhörung stattfand. Dort vernahm der Immigrationsrichter Kevin Moore verschiedene Zeugen, die Oldfields „Nützlichkeit für die britische Gesellschaft“ bescheinigten. Rund 100 Personen hatten zuvor schriftliches Zeugnis für ihn abgelegt.

Solidarität erfuhr Oldfield in den vergangenen Tagen ausgerechnet auch von Studenten und akademischem Personal der beiden Elite-Unis Cambridge und Oxford. Mehr als 250 von ihnen hatten einen Brief an Theresa May unterzeichnet mit der Forderung, das Ausweisungsverfahren gegen Oldfield zu stoppen. „Mit Sicherheit sollte die Unterbrechung des Bootsrennens kein Grund dafür sein, jemanden von seiner Familie und seinem neugeborenen Kind zu trennen“.

Gegenüber dem Guardian sagte Priyamvada Gopal, Englisch-Dozentin in Cambridge, „keinesfalls sollte solch eine extreme Maßnahme im Namen unserer Universitäten erfolgen“. Gopal ist Mitglied der Cambridge Academic Campaign for Higher Education, einer Gruppe von Dozenten und Professoren, die eine Demokratisierung höherer Bildungsinstitutionen erreichen will. „Trenton hat gegen soziale und politische Strukturen protestiert, nicht gegen konkrete Personen, die in Cambridge lernen oder lehren“, fügte sie hinzu.

Richter bescheinigt Charakter

Offensichtlich ließ sich der Immigrationsrichter von der Solidarität für Oldfield beeindrucken. „Es gibt keinen Zweifel an Ihrem Charakter, Ihrem generellen Engagement und Wert für die britische Gesellschaft“ urteilte Kevin Moore.

Oldfield zeigte sich erleichtert über den Richterspruch. Er machte aber auch auf die Schicksale aufmerksam, die hinter den 89 weiteren Ausweisungsverfahren steckten, die noch am selben Tag verhandelt werden sollten.

Zuvor hatte er geäußert, seine Frau und sein Kind zurücklassen zu müssen, würde er nach Australien abgeschoben werden. Australien sei ein „besonders rassistisches Land“. Seine Frau könne dort nicht gefahrlos leben, wie die gewalttätigen Angriffe auf Mitglieder der Hindu-Community gezeigt hätten. „Unser Zuhause ist hier. Australien ist auf der anderen Seite der Welt.“

Mit seiner Protestaktion habe er die Debatte über soziale Ungerechtigkeit anstoßen wollen. Er sei überrascht gewesen, deswegen von den staatlichen Autoritäten so harsch behandelt worden zu sein. „Ich verspüre keinen Wunsch mehr nach ähnlichen Aktionen“, sagte er dem Gericht.

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3 Kommentare

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  • E
    emil

    wenn er einen dieser ruderfritze aus dem boot geschubst hätte (ich unterstelle einfach mal, dass bei diesem patriachartsgepaddel keine frauen unterwegs sind) wäre er vermutlich geköpft worden oder ein paar monate an den pranger gekommen. das öffentliche interesse muss ja schließlich irgendwie gewahrt werden.

    • BI
      Bowside is Darkside
      @emil:

      Der Satz muss realistischer weise heißen: "Wenn ihn das Blatt eines der Ruder geköpft hätte, wären die Ruderer vermutlich an den Pranger gekommen". Der hatte doch Glück das er noch rechtzeitig gesehen wurde.

  • A
    ama.dablam

    ...Pfeife...