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Ausstellungstipp für BerlinGrafische Frechheiten, eklige Keramik

Aline Bouvy nimmt in ihrer Kunst Spießermoral aufs Korn – derzeit zu sehen im Künstlerhaus Bethanien. Die taz sprach mit der Künstlerin.

Aline Bouvys Ausstellung „PUP“ im Künstlerhaus Bethanien Foto: Carolin Leszczinski für Künstlerhaus Bethanien
Beate Scheder
Interview von Beate Scheder

Aline Bouvys Kunst lässt sich als lustvollen Angriff auf Spießermoral und herkömmliche Vorstellungen von Anstand verstehen. Für ihre Einzelausstellung im Künstlerhaus Bethanien hat sie die Zeitschrift Die Frechheit. Ein Magazin des Humors. Zugleich Programm des Kabaretts der Komiker, die von 1928 bis 1933 in Berlin erschien, als Vorbild für eine Reihe grafischer Werbeplakate genommen.

Die Künstlerin war fasziniert vom Witz des Magazins, seiner frivolen Leichtigkeit und Offenheit gegenüber Homosexualität wie weiblicher Selbstbestimmtheit.

Die Plakate hängen an den Wänden, bilden die Szenerie, in der Bouvys Objekte herumlümmeln. Darunter eine plastische Doppelgängerin der Künstlerin, die auf einer Parkbank sitzend mit halbvergammelten Pommes spielt, sowie zwei ihrer „Narrators“, kleine gefäßähnliche Wesen aus Keramik, die an wichtelgesichtige Duftlampen aus dem Kramladen erinnern würden, wären da nicht diese hoden- oder anusähnlichen Auswüchse, so herrlich-eklig, dass man kaum wegschauen kann.

Einblick 795: Aline Bouvy, Künstlerin

taz: Welche Ausstellung in Berlin hat dich zuletzt an- oder auch aufgeregt? Und warum?

Aline Bouvy: Die Ausstellung „Der Hausfreund – Eine Wiederentdeckung des exzentrischen Werks von Friedrich von Berzeviczy-Pallavicini (1909–1989)“ im österreichisches Kulturforum hat mir sehr gefallen. Die Werke des multidisziplinären Künstlers sind von einer wunderschönen Raffinesse.

Die Ausstellung

Künstlerhaus Bethanien, Di.–So. 14–19 Uhr, bis 27. 10., Kottbusser Str. 10

In der Ausstellung stehen sie mit Arbeiten von zeitgenössischen Künstler*nnen im Dialog. Der Kurzfilm von Kamilla Bischof und Laura Welker hat mich durch seinem Erfindungsreichtum in jedem Detail besonders begeistert. Es ist auch eine gute Gelegenheit, das von Hans ­Hollein entworfene Gebäude zu besuchen.

Welches Konzert oder welchen Klub in Berlin kannst du empfehlen?

Im Interview: 

Aline Bouvy ist 1974 in Brüssel geboren. Nach ihrem Kunststudium an der École de Recherche Graphique in Brüssel und an der Jan van Eyck Academie in Maastricht, hat sie in mehreren kollaborativen Formationen mitgearbeitet. Seit 2014 ist sie als Solokünstlerin tätig. Bouvy ist im Moment und noch bis Ende Dezember Stipendiatin des Kulturministeriums des Großherzogtums Luxemburg im Künstlerhaus Bethanien. Ihre Arbeit wird von der Galerie Nosbaum & Reding in Luxembourg und Baronian-Xippas in Brüssel vertreten. 2018 hatte sie Einzelausstellungen in diesen Galerien sowie im Münchner Ausstellungsraum Loggia.

Vergangenen Monat war ich zum ersten Mal im Funkhaus Nalepastraße zum Konzert „Echo Collective plays 12 Conversations with Thilo Heinzmann by Johann Johannsson“. Die Architektur des Gebäudes, die Akustik des großen Aufnahmesaals und wie das Publikum direkt auf Bodentreppen rund um die Musiker sitzt, trugen zu einem exzeptionellen Moment bei.

Welche Zeitschrift/welches Magazin und welches Buch begleitet dich zurzeit durch den Alltag?

taz plan im exil

Online statt Print: Weil die Kulturbeilage taz plan in der gedruckten Ausgabe wegen des Corona-Shutdowns gerade pausiert, erscheint hier nun jeden Donnerstag ein Text vom „taz plan im exil“. Zuletzt: 2. 4. Stephanie Grimm/Musik: „Jeder Tag ist wie Sonntag“ & 9.4. Esther Slevogt/Theater: „Der Bildschirm als Bühne

Ich genieße täglich den freien Onlinezugang vom Guardian. Eine prägende Lektüre für meine jüngsten Arbeiten ist Rémi Astrucs Buch „Le Renouveau du grotesque dans le roman du XXe siècle“: Es geht um das Groteske als Welt der Entfremdung, aber auch als anthropologisches Instrument, mit dem man Alterität und Wandel begreifen kann.

Was ist dein nächstes Projekt?

Ich würde gerne Bauchreden lernen und meine Puppen und Skulpturen zu einem Bühnenstück weiterentwickeln.

Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht dir am meisten Freude?

Ich liebe es, einfach in meiner Atelierwohnung in Berlin aufzuwachen und von meinem Bett aus die Bäume durchs Fenster zu sehen.

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2 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Ich habe mal in New York eine Ausstellung ansehen sollen, da hatte der "Künstler" Darmausgänge, also A...löcher fotografiert und auf riesige Leinwände drucken lassen. Da hingen in dieser riesigen Halle also gefühlt hunderte von riesigen A...löchern von der Decke. Sorry, da habe ich mich aber wirklich auch komplett verarscht gefühlt. Das war totaler Schwachsinn. Und da ist es mir auch egal, ob oder was dieser sich als Künstler ausgebende Schwachmat von sich gibt. Wahrscheinlich sowieso wieder das übliche von wegen "erstarrte Traditionen überwinden ... neue Impulse... blablabla ...." Vielleicht glauben ja alle diese Möchtegernkünstler, daß Kunst nur dann Kunst ist, wenn sie schockiert. Ist mir auch egal. Aber wenn sie Arschlöcher als Kunst ausgeben können, dann erkläre ich diesen Text, der hier jetzt und im Moment zu lesen ist, auch zur Kunst. Und mein Blabla lautet: " Ausgehend von der tradierten Auffassung gesellschaftlicher Prozesse kann Kunst sich sozusagen auch subkutan durch Integration assoziativer Prozesse quasi passiv erlebbar gestalten, ohne daß ein aktives Zutun bewußter Inhalte eingefangene Eindrücke unterdrückt." Also wie man sieht: Ein paar Textbausteine und schon ist sie da, die künstlerische Beschreibung. Und ? Haben wir doch so oder so ähnlich gefühlt schon tausendmal gehört. Habe ich mir eben einfach so aus den Fingern gezogen. Und ab morgen glaub´ich auch dran. Ich schwör.

  • Ich wollte mal Kunst studieren und bin heute ganz froh, daß ich es nicht getan habe. Die ganz große Frage, die den gesamten Kunstbetrieb überschattet, lautet: "Ist das Kunst oder kann das weg?" Wenn man früher mal den tradierten und in Tradition erstarrten Kunstbetrieb kritisieren und aufbrechen wollte, ist nichts dagegen zu sagen. Aber der Protest ist heute erstarrt. Nur noch Pose und Attitude. Mannomann, die mit Kunstblut übergossene Oma, Furzen, Ficken und Ferkeln auf der Bühne, stammelnder Sprechgesang ohne einen einzigen Ton zu treffen, Mitmachkram.... Seit gefühlt dreißig Jahren versucht jeder noch protestiger als der Vorprotester zu protestieren gegen... Hauptsache gegen was, irgendwas, noch was, ja was eigentlich ? Man kann die ewig gleichen Versatzstücke von "Strukturen aufbrechen, neue Akzente setzen usw." nicht mehr hören. Tausendmal das Blabla gehört. Es ist so fürchterlich ermüdend. Wenn ich mir vom Kunstbetrieb was wünschen könnte, wäre es folgendes:"Kunst, die den Leuten gefällt, ist auch Kunst." Capito ?