Ausstellungsempfehlungen für Berlin: Crashing the Narrative

Sophie Jung empfiehlt Video-Variationen von Seth Price, Malerei von Bettina Blohm und die neue BPA-Talkreihe im Gropius-Bau.

Ein Videoscreen von Seth Price an einer Wand in der Galerie Isabelle Bortolozzi

Installation view, Seth Price, „Dedicated to Life“, Galerie Isabella Bortolozzi, Berlin, 2020 Foto: Roman März

In acht Versionen wandelte Seth Price seinen Film „Redistribution“ mittlerweile ab. Und mit jeder neuen Fassung seiner gefilmten Lecture Performance von 2007 verändert der New Yorker auch den Erzählstrang, bis in der Fülle der zirkulierenden Versionen der Ursprung nicht mehr rückverfolgt werden kann – crashing the narrative.

Eine Variante von „Redistribution“ war auch 2010 in der Galerie Isabella Bortolozzi zu sehen. Fetischhafte Aufnahmen von geschmolzenem Plastik flossen damals über den Flatscreen. Jetzt hängt während einer erneuten Einzelausstellung von Seth Price im selben Raum das Plastik an der Wand. Auf der Kunststoffoberfläche eines Leuchtkastens ist der monumentale HD-Print von heller menschlicher Haut, deren Leberflecken, Poren und Falten auf dem Format eines Landschaftsgemäldes gleich selbst eine dieser Landschaftsaufnahmen bilden wie wir sie vom Google Earth-Satteliten kennen. 2018 waren eine Reihe dieser seltsamen aufs Großformat gezogenen Hautlandschaften im Münchener Museum Brandhorst zu sehen.

Seth Price – „Dedicated to Life“. Galerie Isabella Bortolozzi. Bis 17. Oktober, Di.–Sa. 12–18 Uhr, Schöneberger Ufer 61

Bettina Blohm – „Gatekeeper“. Kajetan. Bis 21. November. Mi.–Fr. 14–19 Uhr, Sa. 12–16 Uhr, Gneisenaustr. 33

„BPA Talks 3“. Mit Anne Fellner, Bertrand Flanet, Katrin Winkler und den BPA-Mentor*innen Calla Henkel & Max Pitegoff. Gropius Bau, Kinosaal, 1. 10., 16–20 Uhr, Niederkirchnerstr. 7

In der Ausstellung bei Bortolozzi nun konfrontiert Seth Price einige seiner bekannten Objektarbeiten mit seinen eigenen Texten. In seine visuellen Studien zum Wandel von Material und Fläche mengen sich dann seine geschriebenen Räsonnements, die an die Wand geplottet auf wenigen Zeilen Schlagworte wie Lachen, Haut, Profit und das Sexleben Picassos in eine gedankliche Abfolge bringen. Im Spiegel seiner Texte, die Isabella Bortolozzi jetzt auch in einer Publikation herausgibt, nehmen Seth Prices Objekte eine absurde mitunter dunkle Wendung an. Man könnte auch sagen: Ihr Narrativ wird gebrochen.

Gekrümmte Räume von Bettina Blohm

Bettina Blohm malt auch gegenständlich, Ausschnitte von Landschaften etwa. Vielleicht sind deswegen ihre abstrakten Malereien und Zeichnungen, die gerade bei Kajetan zu sehen sind, so anwesend. Bei ihr liegt ein Rot oder Grün satt auf der Leinwand als könne man danach greifen.

Da die Kulturbeilage taz Plan in unserer Printausgabe derzeit pausiert, erscheinen Texte nun vermehrt an dieser Stelle. Mehr Empfehlungen vom taz plan: www.taz.de/tazplan.

Ihre abstrakten Muster mit sonst zart transparenten Flächen ordnet die Deutsch-Amerikanerin in dieser Ausstellung zu scheinbaren Architekturen an. Die Zeichnungen in Schwarz und Rot wirken wie die Fassaden von Großstadthäusern, die Ölmalereien auf Leinwand zeigen nahezu symmetrische Raster als wären es Grundrisse. Doch die Linien biegen sich, das Gerüst neigt sich und der Schein von Funktionalität löst sich in den gekrümmten Räumen ihrer Bilder schnell wieder auf.

Zurück zu den Ursprüngen im Gropius Bau

Der Künstlerflügel im Pariser Louvre des 16. Jahrhunderts oder die Berner Kunsthalle während Harald Szeemanns legendärer Ausstellung „Live in Your Head. When Attitudes Become Form“ – man kann wild durch die Kunstgeschichte reiten, das Atelier als Ausstellungsort hat darin eine Tradition. Eine Tradition, an die auch der Gropius Bau als ehemalige Kunstgewerbeschule wieder anknüpfen möchte.

Schon seit ein paar Jahren gibt es für internationale etablierte Künstler:innen eine Atelier-Residency, jetzt auch für jüngere Positionen aus der Stadt. Elf Künstler:innen des Mentoringprogramms Berlin Program for Artists (BPA) werden in den nächsten Monaten die Ateliers in den oberen Etagen des Neo-Renaissance-Gebäudes beziehen und immer wieder für ein Publikum öffnen. Ein Artist Talk am 1. Oktober mit der Malerin Anne Fellner, der Video-Künstlerin Katrin Winkler und dem Multi-Media-Künstler Betrand Flanet, wird eine erste Idee davon geben, was sich dann im Gropius-Bau abspielt.

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