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Ausstellungsempfehlungen für BerlinWider die reine Vernunft

Beate Scheder über Werk und Weisheit der jüngst verstorbenen Künstlerin Anna Blume und über zwei Berliner Ausstellungen, die Isolation spiegeln.

Anna Blume auf der Art Basel 2019 vor einem Teil der Serie „Im Wald (In the Forest)“ (1986–91) Foto: Victor Dahmen; Courtesy Buchmann Galerie

Z um Beispiel die Serie „Im Wald“, wie sie im vergangenen Jahr die Buchmann Galerie gemeinsam mit Peter Freeman auf der Art Basel Unlimited zeigte: Großformatige, schwarz-weiße Aufnahmen, auf denen sich Anna & Bernhard Blume selbst als brave Bürger präsentierten. Beim Anbeten von Bäumen, Umarmen von Stämmen und Baumeln von Ästen. Mit zu Fratzen verzogenen, höchstangestrengten Gesichtern. „Im Wald“ ist eine irrwitzige, ironische Abarbeitung an der romantischen Verklärung des (deutschen) Waldes, die gleichzeitig wiederum im scharfen Gegensatz zur Zerstörung der Umwelt durch den Menschen steht.

Dafür waren die Blumes bekannt, für ihre stets komplett selbstproduzierten Serien – inklusiver wilder Stunts –, in denen sie das kleinbürgerliche Leben, den widersprüchlichen Zeitgeist der Leute von Nebenan aufs Korn nahmen.

Jetzt ist nach Bernhard Blume im Jahr 2011 auch Anna Blume gestorben. Was bleibt, ist ihre Kunst. Und Sätze ohne Verfallsdatum wie dieser: „Die reine Vernunft ist als reine Vernunft ungenießbar“ – aus der Serie „Reine Vernunft“ (1981). Anzusehen sind Installationsansichten von Arbeiten des Duos auf der Website der Buchmann Galerie, ab Anfang September außerdem ganz analog in der Gruppenausstellung „Disturbance: Witch“ in der Zitadelle Spandau.

Zustand der Isolation

Für den Moment empfiehlt sich gerade unter anderem ein Besuch im Tschechischen Zentrum Berlin. Nicht nur wegen der fantastischen Brutalismus-Architektur des Baus – entworfen übrigens von Věra und Vladimír Machonin –, sondern vor allem wegen der Malerei von Manuel Stehli, die dort bis Mitte September zu sehen ist: große und kleine Leinwände mit leeren, abstrahierten, pastelligen Landschaften oder Architekturelementen darauf und solche, die Personen, einzeln oder zu zweit abbilden, die allesamt merkwürdig abwesend wirken.

Die Ausstellungen

Mehr zum Werk von Anna & Bernhard Blume: www.buchmanngalerie.com.

Tschechisches Zentrum, Wilhelmstr. 44, Di.+Do. 14–18 Uhr und nach Vereinbarung, bis 12. 09.

LVX, rund um die Uhr, bis 23. 08.

taz plan im exil

Da die Kulturbeilage taz Plan in unserer Printausgabe derzeit pausiert, erscheinen Texte nun vermehrt an dieser Stelle. Mehr Empfehlungen vom taz plan: www.taz.de/tazplan.

Während des Lockdowns war es ja Edward Hoppers Malerei gewesen, in der viele eine Illustration des aktuellen Lebensgefühls erkannten, in dem von ihm malerisch festgehaltenen Zustand der inneren wie äußeren Isolation, der Verlassenheit und Zurückgeworfenheit auf sich selbst.

Bei Stehli lässt sich Ähnliches entdecken, er ist sozusagen Hoppers zeitgenössisches Pendant, nur tut er das auf andere, gedämpftere, noch stärker eingekochte, noch unterkühltere Art und Weise. Auch fehlt auf den Bildern des tschechisch-schweizerischen im Unterschied zu Hopper jeglicher direkte Ortsbezug. Stehli lässt seine Protagonist*innen quasi im luftleeren Raum gemeinsam einsam, in vertraut-seltsamen Posen verharrend abhängen.

Nächtliche Emissionen

Im Pavillon am Rosa-Luxemburg-Platz hängen indes verschieden große, leuchtendweiße Steppbettdecken von der Decke. Aude Pariset hat sie dort aufgehängt und zuvor mit Fotos im Stau stehender Autos bedruckt. Kolonnen von Autos sind es, auf der Autobahn, vielleicht im Urlaubsverkehr aufgenommen. Träumt da etwa eine von den Zeiten, als man als Kind in eine Decke eingehüllt, nächtens von den Eltern durch den Stau an Sommerferienorte transportiert wurde? Vielleicht nicht nur.

Im Text zur Schau ist für alle, deren Französischkenntnisse ebenso mangelhaft sind wie die meinigen, zu erfahren, dass der Titel „Émission nocturnes“ auch eine Bezeichnung für nächtliche Samenergüsse ist. Was dann vielleicht etwas spätere Sommerferienerinnerungen in den Sinn kommen lässt. Und überhaupt eine gewisse Wehmut – fährt denn irgendwer überhaupt in die Ferien in diesem Jahr? Das ist freilich auch eine gute Nachricht, zumindest wenn man an die Emissionen denkt. Die Luftverunreinigungen, nicht die menschlichen Ausscheidungen.

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Beate Scheder
Kulturredakteurin
Redakteurin für Berlin Kultur, freie Kulturjournalistin und Autorin. Kunstkolumnistin beim taz Plan.
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